Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Globalisierungs- und Freihandelskritiker im Mai gleich zwei Mal erfreut. Zunächst stärkte er die Mitspracherechte von Bürgerinnen und Bürgern in Fragen der Handelspolitik. Er entschied, dass die EU-Kommission vor drei Jahren zu Unrecht der Europäischen Bürgerinitiative gegen die Abkommen TTIP und CETA die offizielle Registrierung verweigert und damit eine Anhörung im Parlament verhindert hat.
Die Initiative mische sich nicht unzulässig in die Vorbereitung des transatlantischen Freihandelsabkommens mit den USA ein, urteilte das Gericht in Luxemburg. Im Gegenteil: Sie habe zur rechten Zeit eine legitime demokratische Debatte ausgelöst. Das ist eine deutliche Ermutigung, sich auch künftig mehr einzumischen.
Nur sieben Tage später fühlten sich die Freihandelskritiker erneut bestätigt – dieses Mal durch ein Rechtsgutachten des EuGH, wann Handelsabkommen von Brüssel allein beschlossen werden dürfen. Es bezieht sich zwar auf das bereits 2013 unterzeichnete Abkommen mit Singapur, doch die Luxemburger Richter haben in dem Gutachten klare Regeln für künftige Verträge gesetzt. Denn solche Abkommen regeln nicht nur den Warenhandel, sondern auch Rechte von Auslands-Investoren, Patentrechte oder Umweltstandards.
Kompetenzen der EU gestärkt?
Laut dem Gutachten dürfen die nationalen Parlamente mitentscheiden, wenn einer von zwei Bereichen berührt ist: die umstrittenen Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten sowie Regelungen zu sogenannten Portfolio-Investitionen, mit denen Kapitalgeber an Gewinnen ausländischer Unternehmen teilhaben wollen. Beide fallen in die „geteilte Zuständigkeit“ von EU und Mitgliedsstaaten.
Mehr Verantwortung für die nationalen Parlamente – ein Rückschlag für Brüssel, freuen sich TTIP-Gegner wie der Bund für Umwelt und Naturschutz und die Verbraucherorganisation foodwatch. Die Freude könnte verfrüht sein: Handelsexperten sehen mit dem Gutachten die Kompetenzen der EU deutlich gestärkt. Denn bei anderen in Handelsverträgen geregelten Fragen wie Umwelt- und Sozialstandards sowie Schutz für geistiges Eigentum haben die Mitgliedsstaaten künftig nichts mehr mitzureden.
Bürgerinnen und Bürger werden deshalb auch in Zukunft auf europäischer Ebene mehr Offenheit und Transparenz einfordern müssen. Immerhin hat ihnen der EuGH zuvor berechtigte Hoffnung gemacht, dass sie mehr Gehör finden werden.
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