Im ländlichen Baden-Württemberg hat jede Gemeinde ihr eigenes Dorffest. Bei Grillwürsten und Bier sitzen die Menschen zusammen und feiern. Diesen ungewöhnlichen Ort für Bildung nutzt die gemeinnützige Projekt- und Beratungsorganisation Finep, um über Nachhaltigkeit und globale Themen zu informieren. Dazu hat sie sich ein Nachhaltigkeitsquiz auf Bierdeckeln ausgedacht, das über regionale und faire Lebensmittel informiert. Das Quiz werde gut angenommen und löse zahlreiche Diskussionen aus, sagt Kai Diederich von Finep.
„Wir wollen Menschen in ihrem Alltag mit Neuem konfrontieren, ohne mit erhobenem Zeigefinger zu kommen oder zu moralisieren“, erklärt Diederich. „Casual Learning“ – „Nebenher lernen“ – nennt er das. Mit diesem Ansatz sollen neue Zielgruppen angesprochen werden: Menschen, die sich in der Regel nicht mit entwicklungspolitischen Themen auseinandersetzen und keine Veranstaltungen dazu besuchen. Denn diese Hürde nehmen häufig nur diejenigen, die bereits am Thema interessiert sind.
Beim Bierdeckel-Quiz auf dem Dorffest dagegen kann jeder selbst entscheiden, wie weit er sich informieren will, wann es genug ist und ob er mit dem Tischnachbarn darüber diskutieren möchte. In drei baden-württembergischen Kommunen konnte Finep die Organisationsteams der Feste gewinnen, um über Nachhaltigkeit und Konsummuster zu informieren. Gleichzeitig soll dieser Ansatz dazu beitragen, dass die Dorffeste selbst fairer und nachhaltiger werden, etwa was die verwendeten Produkte oder die Müllentsorgung betrifft.
Aufklärung im Schaufenster
Die Idee mit den Dorffesten ist eines von drei Projekten unter dem Dach der Finep-Initiative „Globales Lernen im ländlichen Raum“. Fünf Jahre lang, von 2012 bis Ende 2017, soll damit Bildung für nachhaltige Entwicklung in bisher vernachlässigten ländlichen Regionen in Baden-Württemberg gestärkt werden. Gefördert wird das Projekt unter anderem vom Umweltministerium in Stuttgart, Brot für die Welt und Engagement Global, einer Tochtergesellschaft des Entwicklungsministeriums (BMZ).
Ein zweites Projekt der Initiative greift auf die vielen leer stehenden Immobilien in Kleinstädten zurück und will diese für globales Lernen nutzen. In vier Kommunen haben lokale Gruppen oder Weltläden in leer stehenden Ladenlokalen „Globale Schaufenster“ eingerichtet, die sich mit Konsummustern und Lebensstilen im Norden auseinandersetzen. Zu den Themen gehören etwa der hohe Fleischkonsum oder die Bedingungen, unter denen Textilien im globalen Süden hergestellt werden. Das ist mit wenig finanziellem Aufwand verbunden, da die Schaufenster in der Regel kostenlos genutzt werden können, solange die Läden leer stehen.
Den richtigen Ton zum richtigen Zeitpunkt
Bei den Themen suchten die Organisatoren Anknüpfungspunkte zu regionalen Besonderheiten, auf der Schwäbischen Alb beispielsweise Schafe und Wolle. Neben den Informationen im Schaufenster gab es Führungen, Vorträge und Kochkurse zu den präsentierten Themen. Inzwischen haben weitere Kommunen in Baden-Württemberg die Idee übernommen. Das dritte Projekt ist ein interaktives Murmelspiel zum Thema Nahrungsmittelverschwendung, das in Bibliotheken und Rathäusern aufgestellt wird.
Erreicht dieses „Lernen nebenher“ seine Ziele? Finep hat in Interviews mit einzelnen durchführenden Organisationen und Initiativen herausgefunden, dass die Angebote durchaus andere Zielgruppen erreichen als klassische Veranstaltungen und die Befragten viel Neues lernen, zum Beispiel was Fairer Handel eigentlich genau bedeutet. Wichtig, so Diederich, sei, dass man zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Ton treffe. Die Folgen des hohen Fleischkonsums etwa seien auf einem Dorffest beim Grillen kein geeignetes Thema.
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