Am Anfang stand ein tiefes Unbehagen: Will man den Klimawandel begrenzen und die globalen Ökosysteme nicht überlasten, dann müssen wir unsere Wirtschaftsweise dringend tiefgehend ändern. Was wir dafür tun – von Solaranlagen auf dem Dach bis Bio-Essen in Kantinen –, ist aber auch in den Kirchen völlig unzureichend. Deshalb haben vor drei Jahren rund 30 evangelische und katholische Werke und Organisationen, darunter acht Landeskirchen sowie Brot für die Welt und Misereor, den ökumenischen Prozess „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“ in Gang gesetzt.
Die Initiatoren haben Ende März in Lutherstadt Wittenberg Zwischenbilanz gezogen und ein Impulspapier vorgelegt. Danach sollen die Kirchen es als Teil ihrer Sache begreifen, Modelle für eine Kultur der Nachhaltigkeit zu suchen und auszuprobieren. Die Transformation unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsweise könne nicht geplant werden, sondern werde sich aus vielen kleinen Veränderungen ergeben. Es gelte aber Wege dahin zu suchen und zu gestalten.
Alarmismus helfe dabei nicht, sagte Uwe Schneidewind, der Leiter des Wuppertal-Instituts. Der Klimawandel stelle nicht das Überleben der Menschheit insgesamt oder des Planeten in Frage, sondern sei eine Gerechtigkeitsfrage: Wem werden die katastrophalen Folgen aufgebürdet? Man solle das als Chance begreifen, eine Zivilisation zu schaffen, die Verantwortung für nachfolgende Generationen ernst nimmt. Wolfgang Lucht vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung mahnte allerdings, man dürfe die Gefahren für das System Erde nicht kleinreden. Aber Schneidewind traf den Geist der Initiative: Wie können wir in der Transformation verantwortlich leben und Orientierung geben?
Nicht in die Falle tappen
Hier kommt die Theologie ins Spiel. Zum einen wird ihr eine Rolle als Orientierungswissenschaft zugeschrieben: Sie stellt Fragen nach dem Wesen des Menschen, die in spezialisierten Fachwissenschaften und öffentlichen Debatten kaum vorkommen. Zum anderen soll die Theologie zeigen, dass die Kirche sich zur ökologischen Krise klar äußern muss. Nur, so der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach: Was ist „die“ Kirche – zumal in evangelischem Verständnis? Und können sich die Theologen über die Bedeutung von Nachhaltigkeit einigen?
Wolfram Stierle aus dem Entwicklungsministerium (BMZ) weist zudem auf die Gefahr hin, dass Kirchen dem Wunsch vieler Politiker folgen und es ihnen abnehmen, unangenehme Botschaften von Verzicht zu verkünden. In diese Falle sollten sie nicht tappen. Besser sollten sie über Gerechtigkeit und Freiheit sprechen und Konflikte austragen helfen, die vor Ort entstehen, wenn zum Beispiel eine Kommune im Sinne der Nachhaltigkeit ihre Raumplanung oder Energiegewinnung ändert.
Katholische Bischöfe machen sich rar
Der ökumenische Prozess soll Verantwortliche in den Kirchen bewegen, die Aufgaben der Kirchen in der Umweltkrise neu zu bestimmen. Das scheint noch ein weiter Weg zu sein. Von katholischer Seite konnte kein Bischof gewonnen werden, nach Wittenberg zu kommen. Mehrere Teilnehmer beklagten, die öko-soziale Enzyklika „Laudato sí“ von Papst Franziskus werde außerhalb der deutschen Kirche mehr wahrgenommen als innerhalb. So bemerkte Klaus Töpfer, der frühere Umweltminister und Schirmherr des ökumenischen Prozesses: „Ich gehe als Katholik oft in den Gottesdienst. Ich habe noch nie eine Predigt über Laudato sí gehört.“
Von evangelischer Seite stellte sich der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm der Diskussion. Er betonte, die Kirche nutze bereits ihre Kanäle in Politik und Wirtschaft, um für ein „grünes Wirtschaftswunder“ zu werben. Zwar erläuterte er, dass dies nicht zwangsläufig Wirtschaftswachstum bedeutet. Dennoch klingt es mehr nach technischen Lösungen als nach jener Kultur der Nachhaltigkeit, die im Impulspapier anvisiert wird: Da stehen Genügsamkeit und die Zähmung der grenzenlosen Wirtschaftsdynamik im Zentrum.
Doch die Kirche ist laut Friedrich Kramer, dem Direktor der Evangelischen Akademie Wittenberg, „in die imperiale Lebensweise verstrickt“. Der Initiative geht es um die Kernfrage: Gehen die Kirchen das Risiko ein, Nachhaltigkeits-Experimente voranzutreiben und sich damit selbst zu verändern?
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