"Ich will überzeugen"

Bewegungsmelder
Wir fragen Menschen aus der Szene, was sie bewegt und was sie wütend macht. Dieses Mal: Jutta Meissner, Fachbereichsleiterin der Johanniter für Südostasien und Lateinamerika.

Was treibt Sie an und was macht Sie wütend?
Ich habe als Schülerin begeistert über Albert Schweitzer gelesen und mich privilegiert gefühlt, in einem Land zu leben, das mir so viele Möglichkeiten bietet. Die meisten Menschen haben es schwer, leiden unter Krieg, Armut und Hunger. Deshalb sagte ich mir: „Leiste zusammen mit anderen deinen Beitrag für gerechte Wirtschafts- und Handelsformen, für ein besseres Leben.“ Diese Devise gilt noch immer für mich, auch wenn ich bald in Rente gehe.

Wen würden Sie mit dem Alternativen Nobelpreis auszeichnen?
Auf keinen Fall nur einen einzigen Menschen, sondern eine Gruppe, die zusammen wirkt. Zum Beispiel eine Bauerngemeinschaft, die dafür kämpft, dass die Menschen im Land Zugang zu sauberem Wasser bekommen oder gesundheitlich versorgt werden.

Mit wem würden Sie gerne einmal streiten?
Ich will gar nicht streiten. Nur überzeugen. Vor allem diejenigen, die nicht sehen, dass unser Wohlstand oft auf anderer Leute Armut beruht. Warum sind denn die italienischen Tomaten so billig? Wieso bekomme ich für 15 Euro ein Paar Jeans? Warum kosten die Smartphones immer weniger? Ich möchte all denen die Zusammenhänge klarmachen, die billige Sachen einfach nur cool finden.

Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz?
Wenn es uns gelingt, die Menschen vor Ort in ein Entwicklungsprojekt einzubinden, bin ich sehr stolz - denn das ist nicht selbstverständlich. Gerade bei Frauenprojekten dauert es oft lange, Zugang zu den Betroffenen zu erhalten. Ob sie gerne Unterstützung beim Maisanbau oder in der Hühnerzucht hätten oder einfach nur Schulgeld für ihre Kinder – dazu äußern sich viele Frauen erst nach langer Zeit, manchmal gar nicht, und erst recht nicht in Gegenwart der Männer.

Was ist schief gegangen und warum?
In einem Entwicklungsprojekt am Amazonas wurden für Indigene, die nur sehr dürftige Unterkünfte hatten, ebenerdige Häuser aus Holz mit jeweils einem kleinen Obergeschoss gebaut. Die neuen Häuser wurden feierlich übergeben; die örtliche Gemeinschaft bedankte sich freundlich. Einige Monate später mussten wir aber feststellen: Niemand wollte einziehen. Der Grund: Ebenerdig wohnten traditionell lediglich die Tiere, und die Obergeschosse waren schlicht zu klein für die Familien mit ihren zahlreichen Mitgliedern. Man muss eben mit den Betroffenen vorher reden.

Das Gespräch führte Barbara Erbe

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erschienen in Ausgabe 3 / 2017: Indigene Völker: Eingeboren und ausgegrenzt
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