Von Hilfe und Geschäft

Energiepartnerschaften
Das deutsche Entwicklungsministerium will im globalen Süden die Energiewende vorantreiben. Das ehrgeizige Vorhaben steht auf vielen Füßen – zu vielen?

Entwicklungsminister Gerd Müller ist zuversichtlich: „Afrika wird der Energiekontinent des Jahrhunderts.“ Vorausgesetzt, es gelinge, Sonnenenergie zu speichern und weiterzuleiten. Dann werde der Kontinent einen Aufschwung erleben, „wie wir ihn uns in den letzten 50 Jahre nicht vorstellen konnten“, sagte der CSU-Politiker im Sommer nach einer Reise durch mehrere afrikanische Länder. Nachhaltige Energie für alle – nicht nur auf afrikanischem Boden – hat sich sein Ministerium (BMZ) auf die Fahnen geschrieben, das sich damit in die gleichnamige Initiative einordnet, die UN-Generalsekretär Ban Ki-moon 2011 ins Leben gerufen hat.

Weltweit leben rund 1,2 Milliarden Menschen ohne Elektrizität, vier Fünftel von ihnen laut Weltbank in Südasien oder Afrika südlich der Sahara. Knapp drei Milliarden Menschen auf der Welt kochen und heizen mit traditionellen Öfen, in denen sie Holz, Dung oder Kerosin verfeuern. Das schadet Gesundheit und Umwelt, weil Wälder abgeholzt werden und beim Verbrennen Kohlendioxid entsteht. Ein Umsteuern ist also dringend nötig, und die deutsche staatliche Entwicklungszusammenarbeit will dazu einen Beitrag leisten: Bis 2030 will sie mit ihren Energieprojekten und -programmen rund 100 Millionen Menschen erreichen. Dafür hat das BMZ im Jahr 2014 nach eigenen Angaben drei Milliarden Euro bereitgestellt.

Mehr als 120 Vorhaben im Energiesektor wurden laut BMZ zudem in enger Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft verwirklicht. Auf solche Kooperationen setzen auch Initiativen des Umwelt-, des Wirtschafts- und des Außenministeriums. Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine Tochter der staatseigenen KfW-Bank, kümmert sich unter anderem um ein Programm aus dem Hause von Barbara Hendricks: Deutsche und europäische Unternehmen sollen dafür gewonnen werden, klimafreundliche Technologien in Entwicklungs- und Schwellenländern nutzbar zu machen. Mitte November wurde im Rahmen einer solchen „Klimapartnerschaft“ im südpazifischen Inselstaat Tonga ein Pilotvorhaben zur Elektromobiltät gestartet: Dort sollen emissionsfreie E-TukTuks, Autorikschas, und E-Boote im Langzeitbetrieb getestet werden, um daraus ein Mobilitätskonzept für kleine Inselstaaten zu entwickeln. Den Strom für die Fahrzeuge soll die Sonne liefern.

Exportchancen deutscher Unternehmen verbessern

Im Wirtschaftsministerium und im Auswärtigen Amt sind die Energiepartnerschaften angesiedelt, die Deutschland mit einem guten Dutzend Ländern unterhält – darunter Indien, Brasilien, Südafrika und Nigeria. Ziel ist es, dort Wind-, Sonnen- und Wasserkraft sowie Biomasse auszubauen und effiziente Technologien zu verbreiten. Auch sollen Projekte „mit Bezug zu Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit“ begleitet werden – und bei all dem gilt es, die Exportchancen deutscher Unternehmen zu verbessern.

Kathrin Schröder vom katholischen Hilfswerk Misereor hält die Energiepartnerschaften für wenig geeignet, um Entwicklung zu fördern. Die Interessen der deutschen Wirtschaft stünden zu sehr im Vordergrund, sagt die Energie-Expertin. Zudem müssten zivilgesellschaftliche Organisationen stärker eingebunden werden, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt werden. Das ist für Schröder ein grundsätzliches Problem: Auch viele Regierungen armer Länder wollten, „dass sich die Zivilgesellschaft heraushält“. Mit Energie lasse sich viel Geld verdienen, dabei wolle man sich nicht stören lassen.

Darüber hinaus vermisst Schröder Initiativen, mit denen vor Ort Arbeitsplätze im Energiesektor geschaffen werden. Ihr Kollege Joachim Fünfgelt von Brot für die Welt stimmt dem zu, sieht aber auch Versäumnisse bei der Verwirklichung von Entwicklungsprojekten: „Die Rückkoppelung mit der einheimischen Bevölkerung könnte stärker sein.“

Aus dem Entwicklungsministerium heißt es dazu, man arbeite zum einen eng mit deutschen nichtstaatlichen Organisationen (NGO), namentlich der Welthungerhilfe, etwa beim Aufbau einer Solar-Hybrid-Anlage im kenianischen Talek zusammen. Zudem würden die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft in den Partnerländern gestärkt, sich etwa über die afrikanisch-europäische Energiepartnerschaft in „internationale Prozesse und Diskussionen“ einzubringen. Auch bei Projekten würden NGOs beteiligt wie die indische „Self Employed Women’s Association“. Mit deren Hilfe würden Finanzprodukte entwickelt, die vor allem Bäuerinnen die Anschaffung von solargetriebenen Pumpen ermöglichen sollen.

Für Joachim Fünfgelt von Brot für die Welt hat die Bundesregierung bei ihrem energiepolitischen Engagement im globalen Süden in den vergangenen Jahren viel von ihrer Glaubwürdigkeit eingebüßt. Deutschland habe seine Vorreiterrolle bei der Energiewende und beim Klimaschutz verloren, kritisiert er. China und sogar ein armes Land wie Burkina Faso investierten im Vergleich zur ihrer Wirtschaftsleistung mehr in erneuerbare Energien als die Bundesrepublik. Zudem steuere das BMZ in seinen Partnerländern nicht entschieden genug in Richtung Sonne, Wind und Wasser. Der Energiehunger in Entwicklungs- und Schwellenländern sei so hoch, dass die Regierungen „alles nehmen, was sie bekommen können“, sagt er. Und dazu gehören eben auch Kohle und Gas.

Fonds für entwicklungspolitisch sinnvolle Projekte

Das Entwicklungsministerium stellt nach eigenen Angaben seit dem vergangenen Jahr kein Geld mehr für den Neubau von Kohlekraftwerken zur Verfügung, lediglich laufende Projekte würden fortgeführt und abgeschlossen. Es verweist zudem auf seine Beteiligung an der African Renewable Energy Initiative (AREI). Die hat zum Ziel, auf dem Kontinent innerhalb von fünf Jahren zehn Gigawatt Strom zusätzlich aus kleinen und mittelgroßen Solar-, Wind-, Wasser- und Biomassekraftwerken zu erzeugen. Rund drei Milliarden Euro gab es dafür bislang aus Deutschland. „Schon damit verhindern wir den Bau von zehn großen Kohlekraftwerken“, betont ein Sprecher. Die Energiewende sei zum „Exportschlager geworden“.  

Das Spektrum der deutschen Initiativen in 23 Partnerländern reicht von energieeffizienten Kühlschränken in Mexiko über ein 50-Megawatt-Solarkraftwerk in der südafrikanischen Provinz Nordkap bis hin zu „grünen Energiekorridoren“ in Indien mit mehr als 5800 Kilometer neuen Stromleitungen und über 150 Umspannstationen. Auf internationaler Ebene beteiligt sich das Ministerium unter anderem an der „globalen Allianz für saubere Kochherde“.

Der Präsident des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft, Stephan Liebing, bestätigt die Strahlkraft des deutschen Vorbilds. In Gesprächen mit afrikanischen Präsidenten kämen stets zwei Dinge auf den Tisch, für die sie sich Unterstützung erhoffen: das duale Ausbildungssystem und erneuerbare Energien. Er sieht beim Ausbau der Erneuerbaren auf dem afrikanischen Kontinent andere Hürden. Ein Zehntel der 600 Mitglieder des Vereins engagiere sich bei der Erzeugung von sauberem Strom und beim Netzausbau, sagt er. Diese Zahl könnte höher sein – gemessen am technischen Know-how und am Bedarf auf dem afrikanischen Kontinent. Doch vor allem für kleine und mittlere Unternehmen sei das Risiko für Investitionen oft zu hoch.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".
„Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen“, erklärt Liebing. Die Bundesregierung müsse staatliche Exportkreditversicherungen, sogenannte Hermesdeckungen, auf weitere Länder ausweiten und die Konditionen dafür verbessern. Die Versicherungen gelten bislang nur für zehn der 54 afrikanischen Staaten. Liebing plädiert außerdem dafür, einen Fonds für entwicklungspolitisch sinnvolle Projekte der Wirtschaft einzurichten. Daraus könnten kleinere Unternehmen im Falle eines Scheiterns einen Teil ihrer Investitionen zurückbekommen. Die Frage, wo ein solcher Fonds angesiedelt werden und wer ihn füllen sollte, beantwortet er allerdings nicht.

Joachim Fünfgelt von Brot für die Welt kritisiert, die Finanzierungsmöglichkeiten für Energieprojekte seien für kleinere Unternehmer in ärmeren Ländern ungeeignet. Die Zinsen für Kredite und Darlehen sowie die bürokratischen Hürden für die Anträge seien oft zu hoch, meint er. Darüber hinaus sei die Vielzahl der – zum Teil multilateralen – Quellen wie Weltbank, regionale Entwicklungsbanken oder Förderinstrumente wie der Green Climate Fund für viele nicht mehr zu durchschauen. „Kleinere Akteure sind benachteiligt, weil sie keine Experten beschäftigen können, die alle Fördertöpfe kennen.“

Die Vielfalt der Regierungen, Organisationen, Institutionen und Unternehmen, die sich für erneuerbare Energien im globalen Süden stark machen, finden die Fachleute von Misereor und Brot für die Welt dagegen ermutigend. Damit werde eine Konzentration der Marktmacht verhindert und die Innovationskraft gestärkt, Gewinne würden besser verteilt. „Je mehr Einheimische sich beteiligen, desto besser“, meinen sie.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2016: Energie für alle
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