Gegenwärtig werden in vielen Ländern Verhandlungen über die Beendigung von Kriegen und Konflikten geführt. In manchen Fällen werden Friedensabkommen unterzeichnet – etwa vor kurzem in Kolumbien. Doch häufig gibt es einen Rückfall in die Gewalt, bevor ein Abkommen zustande gekommen ist. Parteien, die nicht an den Kämpfen beteiligt sind, werden oft nicht konsequent einbezogen. Das gilt besonders für Frauen. Sie sind meistens unterrepräsentiert. Dabei belegt die Forschung, dass sie wertvolle Beiträge dazu leisten können, Friedensabkommen auszuhandeln und dafür zu sorgen, dass diese auch wirksam werden.
Seit der UN-Sicherheitsrat im Jahr 2000 die wegweisende Resolution 1325 zum Schutz der Rechte von Frauen in Konflikten und ihrer Stärkung in Friedensverhandlungen verabschiedet hat, sind beträchtliche Fortschritte erzielt worden. Offizielle Delegationen und Mediatoren räumen Frauen inzwischen ohne Umstände einen Platz am Verhandlungstisch ein. Trotzdem sehen die meisten von ihnen sie noch immer nicht als festen Bestandteil des eigentlichen Prozesses. Dabei ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, wie sich die Beteiligung von Frauen an Friedens- und Transformationsprozessen auswirkt. Was wissen wir darüber bislang?
Wir wissen, dass die Beteiligung von mehr Frauen nicht automatisch zu mehr Frieden führt. Die Stärke ihres Einflusses macht vielmehr den Unterschied. Allein die Anwesenheit von Frauen am Verhandlungstisch, selbst in großer Zahl, reicht nicht aus. Nur wenn sie den Prozess inhaltlich mitbestimmen, werden die resultierenden Abkommen auch wirklich umgesetzt.
Eine Quote bei Friedensverhandlungen
Oft weigern sich Verhandlungspartner, Frauen zu beteiligen. Im Nationalen Dialog im Jemen wurde Frauen eine offizielle Quote zugestanden. Jede Delegation musste zu einem Drittel mit weiblichen Mitgliedern besetzt sein. Darüber hinaus gab es eine eigene, unabhängige Frauendelegation. Und trotz dieser Voraussetzungen fanden es weibliche Delegierten schwierig, Einfluss auf den Prozess zu nehmen. Vertreter konservativer, religiöser Strömungen widersetzten sich ihren Forderungen, sobald sie traditionelle Praktiken infrage stellten. In einigen Fällen wurden Frauen öffentlich bedroht und mitunter sogar körperlich angegriffen, nur weil sie versucht hatten, ihre Meinung im Nationalen Dialog zu vertreten.
Der Einfluss von Frauen auf frauenspezifische Anliegen wird zudem häufig dadurch unterminiert, dass weibliche Delegierte in offiziellen Verhandlungsmissionen in erster Linie Politikerinnen sind. Ihre persönlichen Anschauungen und Interessen treten hinter parteipolitische Loyalitäten zurück. In Nepal wurde die Teilnahme von Frauen an der verfassunggebenden Versammlung 2008 mit Hilfe eines Quotensystems ermöglicht. Ein Drittel der Delegierten war weiblich, das hatte es nie zuvor gegeben. Als aber ein Gesetz zur Debatte stand, das Frauen und Kinder diskriminierte, hielten sich die Entscheidungsträgerinnen an ihre jeweilige Parteilinie. Sie schafften es nicht, sich parteiübergreifend zusammenzuschließen, um gemeinsam gegen das Gesetz vorzugehen.
Frauen bringen jedoch wichtige Themen auf die Tagesordnung, die nicht nur auf ihre eigenen Interessen oder Geschlechtergerechtigkeit ausgerichtet sind. Wenn sie sinnvoll an einem Friedensprozess mitwirken, treten sie für wesentlich mehr ein als die Geschlechterperspektive. Sie engagieren sich für Maßnahmen, die eine politische Lösung des Konfliktes voranbringen. Frauen haben mehrfach Aktionen verteidigt, die ein Wiederaufflammen von Gewalt verhinderten. Sie vertraten wiederholt Anliegen der gesamten Gesellschaft, die an die Wurzeln des jeweiligen Konfliktes rührten, etwa in Burundi und Guatemala. In anderen Fällen wie in Ägypten und im Jemen waren sie bestrebt, die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu verändern.
Während des Friedensprozesses in Burundi von 1996 bis 2013 haben Frauengruppen durchgesetzt, dass Vereinbarungen zum Recht auf eine freie Wahl des Ehepartners in das Arusha-Abkommen aufgenommen wurden. Sie erreichten auch eine Klausel, laut der mindestens 30 Prozent aller Abgeordneten im Parlament Frauen sein müssen. Bei den Verhandlungen in Guatemala zwischen 1989 und 1996 arbeiteten Frauengruppen der sogenannten Versammlung der Zivilgesellschaft eng mit den offiziellen Vertreterinnen am Verhandlungstisch zusammen. So wurde sichergestellt, dass das endgültige Abkommen sexuelle Belästigung als Straftatbestand einstuft und ein Büro für die Rechte indigener Frauen gegründet wurde.
Frauen müssen aber nicht mit am Tisch sitzen, um starke Impulse für den Frieden zu geben. Mehr als jede andere organisierte Gruppe haben sie in verschiedenen Fällen mit groß angelegten Kampagnen Druck auf die wichtigsten Konfliktparteien ausgeübt und die Unterzeichnung von Friedensabkommen eingefordert. Ihre Initiativen waren oft sehr kreativ.
Von Netzwerkerinnen und Brückenbauerinnen
Sind lautstarke Frauen gut für die Demokratie? Thomas Carothers meint: ja. Der US-amerikanische Politologe von der Carnegie-Stiftung hat untersucht, wie es sich auswirkt, wenn im Zuge des Übergangs zur ...
Eigene Frauenkoalition in Somalia
Die Erfahrung lehrt zudem, dass Frauen mehr erreichen, wenn sie sich zusammenschließen. Sie haben größere Chancen, gehört und respektiert zu werden, wenn sie politische Differenzen überwinden, um gemeinsam Themen voranzubringen. Den Friedensprozess von Arta in Somalia wollten die fünf einflussreichsten somalischen Clans 1999 so gestalten, dass er die Clan-Strukturen widerspiegelte. Da den Frauen klar war, dass sie damit von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen wären, gründeten 92 der 100 weiblichen Delegierten eine eigene Frauenkoalition, um die Clangrenzen zu überwinden und als Block abzustimmen. Der sogenannte „sechste Clan“ erreichte, dass nach der neu geschaffenen Nationalen Charta 25 der 245 Sitze in der traditionellen Versammlung Frauen vorbehalten sind.
Auch in Nordirland brachten die zehn großen politischen Parteien bei den Verhandlungen für das Karfreitagsabkommen 1998 keine einzige weibliche Delegierte mit an den Tisch. Das motivierte einige Frauen zur Gründung einer eigenen Partei, um eine Teilnahme zu erstreiten. Obwohl die Frauenkoalition Nordirlands formal keine Unterschriftsvollmacht hatte und den Männern zahlenmäßig unterlegen war, schrieb sie durch ihre unerbittlichen Forderungen und ihre aktive Teilnahme Geschichte: Es gelang ihr, frauenrelevante Themen im endgültigen Abkommen zu verankern.
Weiter wissen wir: Vermittler können ihre Position nutzen, um eine sinnvolle Beteiligung von Frauen zu fördern und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Im Friedensprozess von Burundi hatte die Regierungskoalition die Bestrebungen von Frauen kategorisch abgelehnt, an den förmlichen Verhandlungen beteiligt zu werden. Julius Nyerere, der seinerzeit das tansanische Vermittlerteam leitete, bestand darauf, dass sie zumindest einen Beobachterstatus bekamen, und erreichte, dass sich alle Beteiligten damit einverstanden erklärten.
Nach dem Konflikt über die Wahlergebnisse in Kenia 2007 traf sich eine Gruppe von weiblichen Fach- und Führungskräften, um die Rolle von Frauen in der Krise zu besprechen. Sie riefen Frauenorganisationen zu landesweiten Konsultationsgesprächen auf. Graça Machel, die Witwe des ersten Staatspräsidenten von Mosambik und Frau von Nelson Mandela, leitete damals zusammen mit Kofi Annan das Team der Konfliktvermittler der Afrikanischen Union. Sie beriet die Frauengruppe dabei, eine gemeinsame Basis zu finden, sich auf Anliegen zu konzentrieren, die Frauen am Herzen liegen, und eine gemeinsame Erklärung für die Gespräche auszuarbeiten.
Die Beispiele, dass Frauen zu einem nachhaltigen Frieden beitragen können, sind zahlreich und vielfältig. Wenig verbreitet ist allerdings das Bewusstsein, dass es nicht reicht, Frauen an Verhandlungen teilnehmen zu lassen. Den wirklichen Unterschied bei Friedens- und Transformationsprozessen macht das Ausmaß des Einflusses aus, den Frauen auf die gefällten Entscheidungen nehmen können. Und man kann verschiedenes tun, um zu fördern, was diesen Einfluss stärkt, und zu überwinden, was ihn behindert.
Aus dem Englischen von Barbara Kochhan.
Neuen Kommentar hinzufügen