Die gängigen Rezepte der staatlichen Entwicklungshilfe sind gescheitert, behaupten Shantayanan Devarajan und Stuti Khemani in einem neuen Arbeitspapier aus der Weltbank. Den Regierungen armer Länder Geld und technische Hilfe für spezielle Vorhaben zu geben, meist gebündelt in Projekten – das wirke nicht. Das Kernproblem sehen sie in schlechter Regierungsführung und insbesondere in der Günstlingswirtschaft: Politische Führer verwendeten staatliche Mittel, auch Hilfsgelder, nicht für öffentliche Dienste, sondern für Wohltaten an ihre persönliche Klientel.
Das ist bekannt und trifft vor allem für große Teile Afrikas im Wesentlichen zu. Neu ist die Diagnose, die Geber verfolgten ungeeignete Rezepte, die Regierungsführung im Süden zu verbessern. Nicht nur seien die Reformen, die die Strukturanpassungsprogramme der 1980er Jahre dem Süden auferlegten, kaum umgesetzt worden. Auch die heute übliche technische Hilfe – etwa für Verwaltungsaufbau und Justiz – ist laut Davarajan und Khemani weitgehend zwecklos: Der beste Rat ändere nichts an Machtverhältnissen, die Reformen blockierten.
Die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen
Dieser Weckruf aus der Weltbank, einer Vorkämpferin von Good-Governance-Programmen, sollte Entwicklungsplanern zu denken geben. Leider präsentieren die Autoren des Papiers dann einen neuen angeblichen Königsweg. Der Schlüsselfaktor ist demnach, dass Menschen in armen Ländern ihre Führer daran messen, wie gut sie öffentliche Güter bereitstellen. Die Chance dafür wachse, weil in armen Ländern zunehmend Menschen politisch mobilisiert werden.
Die Qualität der Regierungsführung nur damit zu erklären, ist recht schlicht. Politische Mobilisierung kann zwiespältige Folgen haben, wie man etwa in Nordafrika sieht. Die Autoren, ganz Entwicklungsökonomen, ignorieren zudem wichtige andere Erklärungen – etwa Forschungen, wann Eliten und Bürokratien entwicklungsorientiert handeln und welchen Einfluss die historische Erfahrungen mit Staatlichkeit für den Aufbau moderner Staaten hat.
Finanzhilfe künftig ohne Bedingungen
Daraus leiten sie eine neue Vision ab: Die technischen Hilfe müsse in erster Linie der einheimischen Bevölkerung Informationen liefern, die sie brauchen, um die Leistung der Politiker zu messen. Das soll helfen, Regierende rechenschaftspflichtig zu machen – zunächst auf lokaler Ebene. Finanzhilfe sollten Regierungen ohne Bedingungen erhalten, denn die Bevölkerung, nicht die Geber, solle sie kontrollieren. Das kann man als Rechtfertigung für eine Senkung der Sozial- und Umweltstandards der Weltbank verstehen, wie der britische Entwicklungsexperte Duncan Green von Oxfam bemerkt.
Transparenz zu fördern, ist sicher sinnvoll. Es ist aber kaum der Königsweg zu politischen Reformen und dem Ende der Günstlingswirtschaft. Fraglich ist zudem, ob die Agenturen der Geber wirklich wissen, welche Informationen die Menschen im Süden brauchen, und ob sie bei diesen als neutral und glaubwürdig gelten. Das unterstellen Davarajan und Khemani. Sie zeigen damit jene Überheblichkeit der Entwicklungsexperten, die sie an anderer Stelle kritisieren. Und sie ignorieren, dass die Geber eigene Interessen verfolgen. Die stellen zurzeit Demokratie und Transparenz im Zweifel zurück hinter die Bekämpfung von Terrorismus und die Abwehr von Flüchtlingen.
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