Im Jahr 2014 veröffentlichte der amerikanische Nachrichtensender CNBC eine Liste mit 100 Personen, die die Welt in den nächsten 25 Jahren maßgeblich prägen werden. Neben Apple-Boss Tim Cook, Tesla-Chef Elon Musk oder der Geschäftsführerin von General Motors, Mary Barra, standen dort auch Jay Kimmelmann und seine Geschäftspartnerin Shannon May. Die beiden US-amerikanischen Investoren haben vor einigen Jahren die „Bridge International Academies“ (BIA) gegründet: Das Unternehmen mit Sitz in Nairobi betreibt Privatschulen in Entwicklungsländern.
Gegen eine Gebühr von wenigen US-Dollar pro Monat können Kinder aus armen Familien diese Schulen besuchen, oft in Gegenden, in denen keine öffentlichen Schulen erreichbar sind. In Gebäuden aus lindgrünem Wellblech unterrichten die Lehrer mit Tablets und Smartphones. Das minutiös vorbereitete Unterrichtsmaterial bekommen sie auf ihrem Endgerät zur Verfügung gestellt. Nach eigenen Angaben schneiden die Schüler in den meisten Fächern besser ab als an staatlichen Schulen. Per GPS wird überwacht, ob die Lehrer wirklich anwesend sind.
Die Idee fiel schnell auf fruchtbaren Boden. Überall in Kenia entstanden in Slums und Dörfern die lindgrünen Schulen. Eifrig stellten sich Großspender hinter das ambitionierte Bildungs-Startup: Die Bill & Melinda Gates Foundation investierte ebenso wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mehrere Millionen Dollar. BIA eröffnete Hunderte Schulen in Kenia und expandierte nach Nigeria und Uganda. Bis 2025 will das Unternehmen weltweit zehn Millionen Schüler unterrichten.
Einen Studienabschluss brauchen die Lehrer nicht
Doch zuletzt zeigten sich immer häufiger Flecken auf der Weste des Unternehmens. Ein Bündnis aus Bürgerrechtsgruppen, Hilfsorganisationen und Lehrerverbänden verfasste Ende 2015 ein Protestschreiben an Weltbankpräsident Jim Yong Kim. Die International Finance Corporation (IFC), ein Arm der Weltbank, der Privatunternehmen fördert, hatte BIA im Jahr 2014 mit zehn Millionen US-Dollar gefördert. Das Bündnis wandte sich gegen diese Unterstützung. Die Lehrer, die BIA anstellt, erhalten laut einem Bericht der „New York Times“ lediglich einen dreiwöchigen Vorbereitungskurs. Einen Studienabschluss brauchen sie nicht. Entsprechend niedrig werden sie entlohnt. Und entsprechend fragwürdig ist die Qualität des Unterrichts.
In Uganda liegt die Expansion derzeit auf Eis. Nachdem Zweifel an der Qualifikation des Lehrpersonals aufgekommen waren, hat das ugandische Bildungsministerium den Bau weiterer Schulen vorerst gestoppt. Zudem sei bisher nur eine Schule genehmigt worden, BIA habe jedoch eigenmächtig 63 eröffnet, zitieren ugandische Medien das Bildungsministerium.
Im März 2016 warnte das Kinderrechtskomitee der Vereinten Nationen die Regierung von Liberia eindringlich davor, den Bildungssektor privaten, gewinnorientierten Unternehmen zu überlassen. Ausdrücklich erwähnten seine Mitglieder dabei die Bridge International Academies. Liberia plant, innerhalb der nächsten fünf Jahre alle Grund- und Vorschulen zu privatisieren. BIA könnte durchaus den größten Zuschlag erhalten. „In dieser Größenordnung ist das unerhört, und es verstößt gegen Liberias gesetzliche und moralische Verpflichtungen“, kritisierte der UN-Sonderberichterstatter zum Menschenrecht auf Bildung, Kishore Singh. Die Vereinten Nationen sehen die Bildungsziele der Agenda für nachhaltige Entwicklung gefährdet, die bis 2030 inklusive, gleichberechtigte und qualitativ hochwertige Bildung für alle sicherstellen sollen. Mitte Juni rügte das UN-Komitee die britische Regierung, weil sie BIA mit 3,5 Millionen Pfund unterstützt hatte. Ein Sprecher der britischen Regierung sagte hingegen der Zeitung „The Guardian“, ein Großteil aller Hilfsgelder fließe an den staatlichen Sektor. Privatschulen würden nur unterstützt, wenn die öffentliche Versorgung unzureichend sei.
Die Bundesregierung lehnt kommerzielle Anbieter ab
Die Bundesregierung sieht das umgekehrt: Eine Unterstützung von Schulen in nichtstaatlicher Trägerschaft sei nur dann sinnvoll, wenn der Staat allen Kindern Zugang zum öffentlichen Bildungssystem ermögliche. Die Privatschulen wären dann eine frei wählbare Alternative und kein Ersatz für nicht vorhandene staatliche Schulen, sagte ein Sprecher des Entwicklungsministeriums (BMZ) auf Anfrage. Die Förderung von Privatschulen mit Entwicklungsgeldern empfiehlt das BMZ nur, wenn der Träger „nicht gewinnorientiert arbeitet, staatliche Vorgaben und Grundstandards beachtet und seine Bildungsangebote explizit nicht gesellschaftlich segregierend wirken“.
Für das UN-Kinderrechtskomitee lauert hier das Risiko. Stiege die Zahl dieser Schulen weiter an, könnte das zu „unterqualifizierter Bildung, geringeren Investitionen in öffentliche Schulen und größerer Ungleichheit in den Empfängerländern führen". Dadurch bestehe die Gefahr, „dass Kinder, die sich auch die niedrigen Gebühren nicht leisten können, durch das Raster fallen“.
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