Ob der kenianische Kartendienst Ushahidi oder die Spendenplattform Betterplace aus Berlin: Technologische Innovationen in der internationalen Zusammenarbeit und Nothilfe kamen bislang meist aus der Start-Up-Szene und von spezialisierten Sozialunternehmen. Klassische Hilfsorganisationen haben sich dagegen eher selten mit bahnbrechenden Neuerungen hervorgetan.
Das Welternährungsprogramm will das mit dem Zentrum in München ändern. „Wir brauchen neue Ansätze, um im Kampf gegen den Hunger voranzukommen“, erklärt Ralf Südhoff, WFP-Deutschlandchef. Dazu sollen WFP-Mitarbeiter gemeinsam mit Fachleuten aus Wirtschaft und Forschung an vielversprechenden Ideen arbeiten. „Wir wollen von den Start-Ups lernen“, sagt Südhoff. Ziel sei es, schneller herauszufinden, ob etwas funktioniere, und ob sich Pilotprojekte auf andere Regionen übertragen lassen.
Als Beispiel dafür nennt Südhoff ein Projekt im Flüchtlingscamp Zataari in Jordanien. Dort können syrische Flüchtlinge mit einem Iris-Scan in einem Supermarkt Lebensmittel einkaufen. Das spare Verwaltungskosten und stelle sicher, dass die nötigen Nahrungsmittel bei den Bedürftigen ankommen, erklärt Südhoff. In München soll geklärt werden, ob sich das Bezahlen per Scan auch für die Nahrungsmittelverteilung in anderen Krisenregionen eignet. Den Mitarbeitern, die vor Ort solche Projekte entwickeln und aufbauen, fehlten dazu oft die Zeit und die Ressourcen, sagt Südhoff.
Neue Wege der Finanzierung
Neue Lösungen sollen in München in sogenannten Boot-Camps zusammengetragen werden, in denen Mitarbeiter, Gründer aus der Privatwirtschaft und Forscher ihre Ideen vorstellen. Wer überzeugt, kann drei Monate lang im Labor testen und das Projekt weiterentwickeln. Unterstützt wird das Innovationszentrum mit insgesamt 25 Millionen Euro für fünf Jahre von der bayerischen Staats- und der Bundesregierung.
Die Mittel fließen in ganz unterschiedliche Vorhaben: Die Zukunftsschmiede unterstützt derzeit ein Hydrokultur-Projekt in Peru, ein Programm gegen Nachernteverluste in Uganda, mit dem lokal produzierte Silos an Kleinbauern verkauft werden und ein Sozialunternehmen, das in Kenia Schulspeisen aus Essensabfällen gewinnt.
Weiter gedacht werden soll laut Südhoff nicht nur die Nahrungsmittelhilfe, sondern auch deren Finanzierung. Ziel des WFP sei es, mittelfristig bis zur Hälfte der Versorgungskosten nach Naturkatastrophen durch die Ausschüttungen von Versicherungen abzudecken. Hier gelte es neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, unter anderem gemeinsam mit dem in München ansässigen Versicherer Münchner Rück.
Auch bei der Spendenakquise müssen Organisationen wie das WFP neue Wege gehen. Stolz ist man vor allem auf die Smartphone-Anwendung „Share TheMeal“. Mit wenigen Klicks können Spender Kindern in Not helfen, schon 40 Cent reichen für ein Mittagessen. Seit 2015 haben weltweit 500.000 Nutzer 5,6 Millionen Mahlzeiten gespendet. Die App spricht junge Leute an, die anders nur schwer zu erreichen sind und lieber kleine Beträge spenden, statt sich an eine Organisation zu binden. Weil die Anwendung immer ein konkretes Spendenziel vorgebe, werde sie dem Wunsch nach mehr Transparenz gerecht, meint Südhoff.
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