GRAIN dokumentiert in einem neuen Bericht 491 Fälle von „Land Grabbing“ in 78 Ländern auf einer Fläche von mehr als 30 Millionen Hektar, das ist so groß wie Finnland. Das Investitionsvolumen betrage 94 Milliarden US-Dollar. Damit sei die Zahl der umstrittenen Landgeschäfte in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. Zugleich habe sich der Hype, der zwischen 2008 und 2012 zu beobachten war, abgekühlt. GRAIN hatte 2008 erstmals Daten zum „Land Grabbing“ zusammengestellt, und hatte damals rund 100 Initiativen von Regierungen und Unternehmen gezählt.
Einige der umstrittensten Geschäfte seien inzwischen geplatzt, berichtet GRAIN. Nach der Ermordung des libyschen Präsidenten Muammar al-Gaddafi etwa habe das Land den Plan aufgegeben, auf 100.000 Hektar in Mali Reis anzubauen. Die indische Siva-Gruppe, die sich in wenigen Jahren knapp eine Million Hektar in mehreren Ländern für Palmöl-Plantagen gesichert habe, sei inzwischen pleite.
Das sei jedoch kein Grund zum Feiern, betonen die Aktivisten. Denn die laufenden Projekte trieben die Ausdehnung der industriellen Landwirtschaft unaufhaltsam voran. Sie seien solide finanziert und auf lange Frist angelegt, und sie würden von vielen lokalen und nationalen Regierungen im globalen Süden unterstützt. Deshalb seien sie auch viel schwieriger nachzuverfolgen.
Viele von ihnen seien zudem als „verantwortungsvolle Investitionen“ getarnt, weil die Unternehmen die freiwilligen Richtlinien etwa der Welternährungsorganisation FAO zum Landerwerb kennen. Diese Sorgfaltspflicht sei jedoch kaum mehr als eine Fassade, betont GRAIN.
An vielen Geschäften sind Europäer beteiligt
Laut der Menschenrechtsorganisation FIAN pachten oder kaufen auch viele Unternehmen aus Europa Flächen in Entwicklungs- und Schwellenländern, um dort Lebensmittel oder Energiepflanzen anzubauen. Die Rolle Europas bei Landnahmen und Verstößen gegen die Menschenrechte werde unterschätzt, heißt es in einer neuen Studie der Organisation.
„Wir haben Fälle gefunden, an denen mehr als zehn europäische Akteure beteiligt sind“, erklärt ihr Mitautor Roman Herre. Dazu zählten etliche Staatsfonds und Entwicklungsbanken. Angesichts der undurchdringbaren Finanzierungs- und Beteiligungsstrukturen seien jedoch keine vollständigen Daten zu ermitteln. Die in der Studie dokumentierten 5,8 Millionen Hektar, die sich europäische Akteure in 323 Fällen außerhalb Europas angeeignet hätten, seien „nur die Spitze des Eisberges“, betont Herre.
Grund zur Hoffnung sieht GRAIN im wachsenden Widerstand gegen umstrittene Landgeschäfte. Weltweit wehrten sich Bauern, Fischer, Indigene und Pastoralisten (Hirten) gegen Geschäfte, die ihre Rechte verletzten und ihre Interessen missachteten. Sie schlössen grenzübergreifende Allianzen und entwickelten neue Strategien – und hätten damit unter anderem in Lateinamerika und Tansania erreicht, dass sich Investoren aus Finanzierungen zurückziehen.
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