Friedensengel für Nigeria

Islamistischer Terror
Dem Terror von Boko Haram setzt die Kirche der Geschwister (EYN) in Nordnigeria christlich-muslimische Friedensinitiativen entgegen. Dafür wird sie am 20. Mai mit dem Michael-Sattler-Preis des Deutschen Mennonitischen Friedenskomitees ausgezeichnet.

Der Muslim Hussaini Shuaibu und der Christ Ephraim Kadala nehmen den Preis in Rottenburg am Neckar entgegen. Beide kennen den Terror von Boko Haram aus nächster Nähe. Ende Oktober 2014 überfiel die Terrormiliz ihre Heimatorte, die nordnigerianische Stadt Mubi und das Nachbardorf Kwarhi. Beide mussten mit ihren Frauen und Kindern fliehen und sich tagelang zu Fuß durch den Busch kämpfen. Shuaibu fand mit seiner Familie im Dorf seines Schwiegervaters Unterschlupf, wo er ein Jahr lang blieb. Heute lebt er wieder in Mubi. Die nigerianische Armee drängte im Oktober 2015 Boko Haram erfolgreich zurück.

Kadala lebt in Jos, zehn Autostunden von Kwarhi entfernt. Die EYN, deren Friedenskoordinator er ist, hat ihren Sitz dorthin verlegt, nachdem in Kwarhi alles zerstört worden war. Die Kirche zählt eine Million Mitglieder, in der Gegend um Mubi war sie die größte christliche Denomination. Doch zwei Drittel ihrer Mitglieder musste vor Boko Haram fliehen. Rund 10.000 wurden getötet, 2000 Kirchen zerstört. Die meisten der im April 2014 entführten Schülerinnen von Chibok kommen aus Familien, die der EYN angehören.

Kadala und Shuaibu engagieren sich in der Christian and Muslim Peace Initiative (CAMPI), einem Programm, das die EYN 2008 gestartet hat und das auf Dialog, Versöhnung und Friedensarbeit setzt. Beide sehen in der jungen Generation die wichtigste Zielgruppe. Shuaibu, der sich ehrenamtlich als Moderator und Mediator engagiert, ist im Hauptberuf Dozent an der polytechnischen Fachhochschule in Mubi. Die ersten zehn Minuten jeder Vorlesung nutzt er dafür, seinen Studenten zu erklären, wie wichtig das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslimen für die Zukunft der Gesellschaft ist.

Rollenspiele zwischen Christen und Muslimen

 „Ich stamme selbst aus einer Familie, in der es Muslime und Christen gibt. Natürlich feiern wir alle großen Feste gemeinsam“, sagt Shuaibu. Unter dem Terror von Boko Haram litten Christen und Muslime gleichermaßen. Viele Muslime seien ermordet worden, allen voran die islamischen Gelehrten, die den Chefideologen von Boko Haram erklärt hatten, dass ihre Auslegung des Korans unislamisch sei.

Auch für Kadala ist die Arbeit mit Jugendlichen besonders wichtig. In den Sekundarschulen hat CAMPI Clubs für den Frieden gegründet, in denen sie etwa ein Rollenspiel zwischen Christen und Muslimen organisieren. Jeder ist für ein anderes Gruppenmitglied der anderen Religion ein anonymer „Engel“ – „man macht sich Gedanken um den anderen, schreibt ihm wertschätzende Briefe, muntert ihn auf und überlegt sich, was er braucht, damit es ihm gut geht“, erklärt Kadala. Nach einem oder mehreren Monaten wird dann aufgelöst, wer für wen ein Engel war.

Niemand werde mehr schlecht über einen Angehörigen der jeweils anderen Religion sprechen, wenn er „einen muslimischen oder christlichen Engel hatte, der ihn aufgebaut und unterstützt hat“, sagt Kadala. Wie viele Menschen CAMPI mit seiner Friedensarbeit erreicht, kann er nicht sagen. Oft sei  schon viel gewonnen, wenn die Teilnehmenden an einem Friedensprojekt in der Familie oder mit Freunden darüber sprechen. „2013 hatte CAMPI noch 60.000 Mitglieder, heute sind es 200.000“, sagt er.  Boko Haram habe vielen Menschen die Augen für die jeweils andere Religion geöffnet, sagt Kadala. Und Shuaibu bestätigt: „Die Terrormiliz hat uns Christen und Muslime eher zusammengebracht, als dass sie uns trennt.“

Das Deutsche Mennonitische Friedenskomitee hat die EYN nun für ihre Friedensarbeit mit dem Michael-Sattler-Preis ausgezeichnet. Die Auszeichnung wird alle drei Jahre an Menschen oder Organisationen vergeben, die sich für Gewaltfreiheit, Versöhnung und Toleranz einsetzen. Michael Sattler wurde 1527 wegen seines gewaltfreien Friedenszeugnisses in Rottenburg am Neckar auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.

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Es dünkt mich symptomatisch, dass in diesem Bericht immer nur von 'Christen & Muslimen' die Rede ist; -dabei haben Frauen eine wichtige Rolle in Friedensprozessen.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2016: Neue Chancen für die Kurden
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