Erst wollte der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU) Soldaten nach Burundi schicken, dann haben sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen am vergangenen Wochenende doch dagegen entschieden. Wie bewerten Sie den Beschluss?
Das ist bedauerlich, kommt aber nicht überraschend. Es war immer unklar, ob man eine solche Truppe am Ende wirklich ohne Zustimmung der burundischen Regierung entsenden würde. Die Regierung hat das wiederholt als ausländische Intervention abgelehnt und angekündigt, die Truppe im Notfall zu bekämpfen. Es war nie klar, ob sich die AU eine solche Gewaltspirale riskieren würde.
Aber warum ist die AU dann mit ihrer Ankündigung im Dezember so vorgeprescht?
Das Thema ist ja noch nicht vollständig vom Tisch. Die AU wird in den nächsten Tagen eine hochrangige Delegation in die burundische Hauptstadt Bujumbura schicken. Sie soll ausloten, ob man der Regierung eine solche Friedenstruppe nicht doch schmackhaft machen kann. Ich halte das allerdings für ausgeschlossen. Die Truppe war immer auch ein Druckmittel, damit Burundi Verhandlungen zustimmt. Es gab den Versuch, unter Vermittlung von Uganda Gespräche zwischen der burundischen Regierung und der Opposition in Gang zu bringen.
Was könnten denn Peacekeeping-Soldaten derzeit sinnvoll unternehmen in Burundi?
Vorgesehen waren 5000 Soldaten zum Schutz von Zivilisten. Zwischenzeitlich war dann auch mal von Grenzsicherung die Rede, wohl auch um die Regierung umzustimmen. In Burundi haben wir es mit Gewalt in verschiedenen Landesteilen zu tun, die 5000 Soldaten nicht von heute auf morgen beenden könnten.
Das heißt, die diskutierte AU-Truppe wäre vor allem eine symbolische Aktion?
Würde man alle 5000 Soldaten tatsächlich in Bujumbura stationieren, könnten sie dort in begrenztem Maße für Sicherheit sorgen, aber auch nur, wenn die Regierung sie nicht bekämpft. Der AU-Beschluss hatte aber auch deshalb Symbolwert, weil die AU das erste Mal von der Möglichkeit Gebrauch machen würde, nach Artikel 4(h) der Charta Truppen ohne Zustimmung einer Regierung zu entsenden.
Aber wäre nicht trotzdem eine Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat nötig?
Ja, aber die Vereinten Nationen arbeiten mit Regionalorganisationen wie der AU zusammen. In der Praxis sah das in der Vergangenheit etwa bei regionalen Sanktionen so aus, dass der UN-Sicherheitsrat das im Nachhinein gebilligt hat. Im Fall Burundi hat sich in den vergangenen Tagen allerdings abgezeichnet, dass die UN auf eine politische Lösung drängen. Es gab eine Reise einer UN-Delegation nach Burundi und zu Gesprächen mit der AU und dort haben die UN politische Schritte angemahnt. Das war natürlich Wasser auf die Mühlen der AU-Mitglieder, die gegen die Entsendung einer Truppe sind.
Wie ernst ist die Lage derzeit in Burundi? Hilfsorganisationen berichten von Massengräbern.
Die Lage ist sehr ernst. In den letzten Monaten haben politische Morde, Vergewaltigungen und Gewalt gegen Zivilisten weiter zugenommen. Die entdeckten Massengräber bestätigen nur, was man bereits wusste, nämlich dass im vergangenen Dezember bei einem versuchten Angriff auf einen Armeestützpunkt nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen 150 Menschen getötet wurden.
Hat die Gewalt wieder die ethnische Komponente aus dem Konflikt zwischen Hutus und Tutsis?
Noch nicht. Auf beiden Seiten, sowohl in der Regierung als auch bei der Opposition, versuchen Politiker, die ethnische Karte zu spielen und daraus politisches Kapital zu schlagen. Aber die Mehrheit der Bevölkerung widersetzt sich noch den Versuchen, den Konflikt ethnisch aufzuladen. Und auch die Regierung versucht zumindest nach außen den Eindruck zu zerstreuen, es drohe ein Genozid. Denn das würde die Diskussion um eine Truppenentsendung befeuern.
Der Völkermord in Ruanda 1994 war von oben geplant und verordnet. Kann so etwas auch in Burundi passieren?
Burundi hat selbst eine lange Geschichte ethno-politischer Gewalt. Den Massakern 1972 sind Schätzungen zufolge bis zu 300.000 Menschen zum Opfer gefallen, und es gab einen ethnisch geprägten Bürgerkrieg in den 1990er Jahren. Ich halte es derzeit aber für unwahrscheinlich, dass es zu systematischer, von oben angeordneter Gewalt gegen eine ethnische Gruppe in allen Landesteilen kommt. Stattdessen kommt es zu politischen „Säuberungsaktionen“, mit denen das Regime versucht, sich Gegnern zu entledigen. Es droht auch das erneute Abrutschen in einen Bürgerkrieg: verschiedene Rebellengruppen formieren sich, dies hat aber keine eindeutig ethnische Komponente.
Wie bewerten Sie das Engagement der Afrikanischen Union insgesamt, den Konflikt in Burundi einzudämmen?
Die AU und die Ostafrikanische Gemeinschaft waren von Beginn an involviert, sind intern allerdings gespalten. Dass sich bereits bei der Frage gezeigt, ob der burundische Präsident Pierre Nkurunziza entgegen der burundischen Verfassung für eine dritte Amtszeit kandidieren darf. In ihren Reihen gibt es selbst einige Staats- und Regierungschefs, die sich über die Begrenzung der Amtszeit hinwegsetzen wollen und weitere Mandate anstreben. Außerdem lehnte eine Reihe von Staaten eine AU-Friedenstruppe mit Verweis auf die staatliche Souveränität ab, nicht zuletzt weil es bei ihnen selbst nicht zum Besten um die Menschenrechte steht. Wir haben es hier nun mal nicht mit lupenreinen Demokraten zu tun.
Der von der AU bestellte Sondervermittler für Burundi, der ugandische Präsident Yoweri Museveni, war beim Gipfeltreffen am Wochenende nicht dabei. Das spricht nicht gerade für ein ernsthaftes Bemühen.
Das spricht nicht für eine ideale Koordination. Hinzu kommt, dass bestimmten Ländern nachgesagt wird, sie seien auf der Seite des Regimes, andere eher auf der Seite der Opposition. Auch das erschwert eine einheitliche regionale Position.
Die AU ist 2002 angetreten mit dem Anspruch, afrikanische Lösungen für afrikanische Konflikte zu finden. Ist sie dem bislang gerecht geworden?
Das kommt darauf an, um welche Art von Konflikt es sich handelt. Bei Militärputschen hat die AU eine Sanktionspraxis etabliert, die durchaus Erfolge vorweisen kann: Sie hat in einigen Fällen zu Gesprächen und anschließend zu Neuwahlen geführt. Das heißt, hier ist sie ihrem Anspruch gerecht geworden. In anderen Bereichen allerdings, etwa bei den Menschenrechten, sieht das ganz anders aus.
Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.
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