Gesetze allein bewirken kein Umdenken

Ein indisch-österreichisches Projekt zum Schutz von Frauen gegen häusliche Gewalt

„Männer haben Kraft, aber nicht zum Schlagen“, ist die Botschaft einer Anti-Gewalt-Kampagne und eines Sensibilisierungstrainings in Neu-Delhi und Chennai, die beide gemeinsam mit der indischen Organisation SMART entwickelt wurden. Die vom Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) mit 80.000 Euro finanzierte Initiative gilt als Modellprojekt für eine erfolgreiche Beteiligung von Männern in einem solchen Projekt. Ein Trainingshandbuch für Sozialarbeiterinnen und der Film „Peace Starts at Home“ von SMART-Gründerin Archana Kapoor, der für die weitere Arbeit in Indien verwendet wird, wurden im Juni in Wien anlässlich des Projektabschlusses vorgestellt.

Anfangs seien die Männer in den Workshops „sehr verhalten“ gewesen, sagt Elisabeth Kasbauer, Programmdirektorin von „Frauen ohne Grenzen“. Doch mit kontinuierlicher Arbeit habe man ihr Interesse erweckt. Die gandhische Tradition der friedlichen Konfliktbewältigung sei dabei hilfreich gewesen. Es galt, gemeinsam mit den Männern konstruktive Wege aus der Gewalt zu finden.

Vorbilder zeigen, dass es Lösungen gibt

In Rollenspielen wurden typische Szenen nachgestellt und eigene Erfahrungen diskutiert. Vorbilder – wie das einer Professorin der Universität im indischen Lucknow, die es schaffte, sich von ihrem gewalttätigen Mann zu trennen, obwohl das sozial verpönt ist – haben gezeigt, dass es Lösungen gibt. Das Trainingshandbuch wurde auf der Grundlage einer Umfrage über häusliche Gewalt erarbeitet. Workshops wurden nach Geschlechtern getrennt oder auch in gemischten Gruppen angeboten.

Indischen Frauen, so Kasbauer, seien ihre Rechte meistens nicht bekannt. Seit 2005 schützt sie ein Gesetz vor häuslicher Gewalt. Bis dahin habe es für alles, was innerhalb der eigenen vier Wände passiert, keine Sanktionen gegeben. Doch Gesetze allein bewirken noch kein Umdenken.

Laut indischen Statistiken wird auch heute noch jede fünfte verheiratete Frau in Indien ab ihrem 15. Lebensjahr vom Ehemann, von den Schwiegereltern oder von anderen Personen misshandelt. Alle drei Minuten wird in Indien ein Verbrechen gegen Frauen begangen, alle 29 Minuten wird eine Frau vergewaltigt, fast stündlich wird ein Todesfall infolge eines Mitgiftstreits angezeigt.

Gewalt gegen Frauen ist aber ein Tabuthema; es gibt kaum Einrichtungen, in denen sie offen über Vorfälle häuslicher Gewalt sprechen können. „Gewalt gegen Frauen ist kein Privatproblem. Sie ist nicht mit männlicher Aggressivität oder kulturellen Praktiken zu entschuldigen, Gewalt gegen Frauen muss thematisiert und enttabuisiert werden“, erklärt die Sozialwissenschaftlerin Edith Schlaffer, die „Frauen ohne Grenzen“ 2002 gegründet hat.

Die Männer ­waren erst gegen den Frauen-Schwimmkurs

Dass häusliche Gewalt in Indien ein weit verbreitetes und gravierendes Problem ist, haben Schlaffer und ihre Mitarbeiterinnen nach dem Tsunami entdeckt, als sie einen Schwimmkurs für Frauen in Fischerdörfern an der Küste des Bundesstaates Tamil Nadu organisierten. Auch damals seien die Männer anfangs sehr skeptisch, am Ende aber stolz auf ihre Frauen gewesen. Als erfolgreich hat sich auch ein Projekt erwiesen, bei dem Frauen in vom Tsunami betroffenen Dörfern ermuntert wurden, sich in Genossenschaften zusammenzuschließen und Fischernetze zu verkaufen.

 

erschienen in Ausgabe 8 / 2010: Metropolen: Magnet und Molloch
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