Der Traum der Goldgräber

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Burkina Faso
Am Goldbergbau in Burkina Faso verdienen vor allem Minenbetreiber und große Handelshäuser.
Die Bergleute dürfen dafür schuften – aber sie hoffen beharrlich auf den großen Fund.

Feiner grauer Staub durchsetzt die Luft in Alga. Wie Mehl legt er sich über Gebäude, Maschinen und Tausende von Menschen, die auf der Suche nach Gold einen Stollen nach dem anderen in den harten Fels treiben. Seit mindestens drei Jahrzehnten werde hier nach Gold gesucht, erzählt Elia Sawadogo, dessen Cousin einen der Schächte finanziert. Der richtige Boom kam vor ein paar Jahren, als ein großes Vorkommen des Edelmetalls gefunden wurde. „Jeden Tag kommen 40 neue Goldgräber“, sagt Sawadogo.

In Alga, 130 Kilometer nördlich von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou, leben und arbeiten derzeit bis zu 7000 Menschen. Die Mine ist eine der größten von 262 offiziell registrierten Kleinminen in dem westafrikanischen Land. Laut Schätzungen von Wissenschaftlern, Hilfsorganisationen und lokalen Aktivisten arbeiten mehr als 200.000 Bergleute im Kleinbergbau, weitere 800.000 Menschen sind wirtschaftlich von der kleingewerblichen Goldförderung abhängig.

Bei einer Gesamtbevölkerung von 18,6 Millionen Menschen sind Minen wie Alga ein Grundstein der burkinischen Volkswirtschaft, die sonst überwiegend auf Subsistenzlandwirtschaft und Baumwollanbau basiert. Bis zu 20 Tonnen Gold bringen die Bergarbeiter in den Kleinminen laut Schätzungen internationaler Experten und lokaler Goldhändler pro Jahr an die Oberfläche. Das entspricht einem Marktwert von mehr als 585 Millionen Euro (Stand August 2015). Damit würde Burkina Faso nach Südafrika und Ghana seinem Nachbarn Mali den dritten Rang der Gold exportierenden Länder Afrikas streitig machen.

Trotz seiner wirtschaftlichen Bedeutung ist der Kleinbergbau mit zahlreichen Problemen verbunden. Laut Schätzungen sind ein Drittel bis die Hälfte der Arbeiter in Alga und anderen informell betriebenen Minen minderjährig, obwohl Burkina Faso alle internationalen Abkommen zum Verbot von Kinderarbeit unterzeichnet hat und nationale Gesetze die Arbeit von unter 18-Jährigen in Goldminen untersagen. In den bis zu 170 Meter tiefen Stollen geschehen regelmäßig Unfälle, denn sie sind nur wenig gesichert und Dynamit ist das Mittel der Wahl, um in das harte Gestein vorzudringen. Schutzkleidung und -ausrüstung sind völlig unbekannt. Das kostet jedes Jahr Dutzende Menschen das Leben.

Goldhaltige Geröll in alten Getreidesäcken

Darüber hinaus muss zunächst viel Geld in eine Mine investiert werden. Es könne bis zu fünf Monaten dauern, bis ein Schacht in Alga durch Dynamit und Muskelkraft die goldführenden Schichten erreicht, erklärt Elia Sawadogo. Laut Albert Oussé, dem Manager der Mine Tikando im Südosten des Landes, dauert es dort meist zwei Monate, bis die Bergleute zu den profitablen Gesteinsschichten durchdringen. In dieser Zeit erhalten sie kein Gehalt. Der Investor des Schachts versorgt sie mit einfachen Mahlzeiten, meist Bohnen, sowie mit Generatoren, Benzin und Dynamit. Die Arbeiter profitieren erst, wenn sie Gold finden. Aber auch dann arbeiten sie auf Erfolgsbasis und erhalten keinen festen Lohn.

Bei offiziell registrierten Minen wie Alga und Tikando beansprucht der Besitzer der Lizenz einen Teil der Produktion, um die Mine zu managen, Sicherheitsleute anzuheuern und um im Falle von Konflikten zwischen der lokalen Bevölkerung und den Bergarbeitern zu vermitteln. In Tikando erhält Albert Oussé ein Fünftel der Gesamtproduktion. Wird der Schacht auf Privatland gegraben, hat der Grundbesitzer ebenfalls einen Anspruch auf ein bis zehn Prozent der Produktion. Die übrigen Säcke werden zu gleichen Teilen zwischen den Bergarbeitern und dem Investor geteilt. Die Bergleute teilen ihren Anteil untereinander nach der individuellen Leistung.

Berechnungsgrundlage ist nicht das endgültig produzierte Gold, sondern das goldhaltige Geröll, das in alten Getreidesäcken per Hand an die Oberfläche gewuchtet wird. Dessen Goldgehalt ist keinem der Beteiligten vorab bekannt. Das ist vor allem für die Bergleute ein Nachteil, denn anders als Investoren und Manager können sie ihr Risiko nicht über eine große Produktionsmenge streuen: Da jeder Bergmann nur einen kleinen Teil des Gerölls erhält, ist für sie das Risiko größer, nur schwach goldhaltige Steine abzubekommen. Keine dieser Absprachen ist gesetzlich geregelt, alles basiert auf informellen Verhandlungen zwischen den Beteiligten. Laut Albert Oussé produziert allein Tikando etwa 600 Kilogramm Gold im Jahr, das entspricht einem Wert von 19,36 Millionen Euro auf dem Weltmarkt. 

Die weitere Verarbeitung übernehmen Spezialisten, die dafür vom jeweiligen Eigentümer des goldhaltigen Gesteins bezahlt werden. Sie zerstoßen und mahlen das Gestein zu feinem Staub, der dann in Schleusenkästen und Plastikschalen gewaschen wird. Eine anstrengende und langwierige Arbeit, mitten im Staub und Lärm der Mine. Auch bei diesem Arbeitsschritt profitiert der Manager: Albert Oussé erhebt von jeder Hütte, in der Schleusenkästen und Waschstationen untergebracht sind, eine Miete von neun Gramm Gold im Monat.

Auch wenn Bergleute oft Monate auf ein Einkommen verzichten müssen, ist die Arbeit in den Minen für viele attraktiv. Jeder kennt Geschichten von Goldgräbern, die über Nacht durch einen großen Fund steinreich geworden sind und sich Luxuswagen und Motorräder kaufen konnten. Für die meisten bleibt das aber ein Traum. „Ich bin seit 16 Jahren dabei“, sagt Bamaro Maadi, der in Tikando arbeitet. „Bis jetzt habe ich nicht viel Glück gehabt.“ Besser, als auf dem Acker zu schuften, sei die Goldgräberei aber in jedem Fall. Das Einkommen eines Bergarbeiters in Burkina Faso kann mit etwas Glück bis zu 10.000 Francs (etwa 15 Euro) pro Woche betragen. Mehr als 70 Prozent der Burkiner leben von weniger als zwei Euro am Tag, bestreiten häufig ihren Lebensunterhalt mit eigenen Anbauprodukten und sind somit unter anderem abhängig vom Wetter.

In einigen Fällen haben mächtige und politisch bestens vernetzte Handelshäuser burkinischer Geschäftsleute besonders ertragreiche Minen unter ihre Kontrolle gebracht. Ohne rechtlichen Rahmen zwingen sie in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden die Goldgräber in ihrem Einflussbereich, ihnen das lokal gewonnene Gold zu niedrigen Festpreisen zu verkaufen.

Einheimische Geschäftsleute betrügen die Arbeiter

Teilweise erhalten die Bergleute nur 45 Prozent des Weltmarktpreises, wie Kaufbelege aus der Mine Auora im Norden Burkina Fasos bestätigen. Während die Handelshäuser große Gewinne einfahren, werden die Arbeiter um ihren Anteil betrogen. Dem Staat ergeht es ähnlich, denn die Handelshäuser hinterziehen Steuern im großen Stil. Lediglich der Export von gut 900 Kilogramm der bis zu 20 Tonnen Gesamtproduktion aus dem kleingewerblichen Bergbau ist in den offiziellen Büchern verzeichnet, der Rest wird am Fiskus vorbei ins Ausland gebracht.

In Tikando läuft das etwas anders. Manager Albert Oussé gestattet es der Gemeindeverwaltung immerhin, Abgaben auf bestimmte Tätigkeiten in der Mine zu erheben. Die Mine trägt somit dazu bei, dass die Behörden handlungsfähig sind und öffentliche Dienste finanzieren. Oussé schöpft zwar einen großen Teil der Produktion ab, ist aber als Geschäftsmann lokal verwurzelt. In der nahe gelegenen Stadt Gaoua unterhält er mehrere Restaurants und baut ein Tagungszentrum. Ein Teil seines Geldes kommt dem lokalen Wirtschaftskreislauf zugute. Oussé duldet in Tikando außerdem unabhängige Händler, die den Arbeitern marktgerechte Preise für ihr Gold zahlen. Die Händler arbeiten auf eigene Rechnung und konkurrieren um ihre Lieferanten.

Noch mehr von ihrer Arbeit haben die Bergleute in der Mine Karentenga nördlich von Ouagadougou. Die Anwohner haben das vormals dort aktive Handelsunternehmen mit Sitz in der Hauptstadt im Streit um die Einkünfte vertrieben und verwalten die Mine nun gemeinsam mit den Arbeitern. Im Vergleich zu Tikando werden kaum Abgaben auf die Erträge fällig. Der Kleinbergbau könnte die lokale Wirtschaft hier stärken – doch das scheitert bislang, da der Wirtschaftszweig kaum formalisiert ist. Ohne Zugang zu Banken und Krediten, ohne Ausbildung und aufgrund fehlender Rechtssicherheit investieren die meisten Arbeiter ihr Einkommen zuerst in Konsumgüter wie Motorräder, die aus Asien importiert werden, statt in neue Minen oder die Goldverarbeitung.

Wer Gold gefunden hat, geht nicht mehr in die Schule

Im Gegensatz zu Tikando sind in Karentenga zudem deutlich mehr Minderjährige unter den Arbeitern. Albert Oussé hat sich von lokalen Aktivisten überzeugen lassen, Kinderarbeit zumindest unter Tage zu verbieten, in Karatenga fehlen solche Regeln noch. „Die lokalen Behörden sind sich des Problems bewusst und bereit, zu handeln“, sagt Aimé Paul Somé, der mit Unterstützung des UN-Kinderhilfswerkes Unicef gegen Kinderarbeit in Tikando kämpft. Intensive Aufklärungsarbeit habe dazu beigetragen, dass die meisten Goldgräber, die in der Mehrzahl aus anderen westafrikanischen Ländern oder anderen Teilen des Landes stammen, ihre Töchter und Söhne in die örtlichen Schulen schicken.

Langfristig sei jedoch der Staat in der Pflicht, erklärt Somé. Kinder und Jugendliche kämen in die Minen, weil ihnen das staatliche Bildungssystem keine Perspektive auf eine angemessen bezahlte Arbeit bietet – und weil ihre Eltern zu wenig verdienen, um ihnen eine weiterführende Ausbildung oder ein Studium zu bezahlen. Haben sie das erste Mal beim Goldschürfen Geld verdient, dann wird es oft unmöglich, sie zur Rückkehr in die Schule oder zur Arbeit auf den heimischen Feldern zu bewegen. Auch der Wissenschaftler Luigi Arnaldi fordert, dass die Regierung härter gegen Kinderarbeit vorgeht. Zudem müsse sie strengere Sicherheits- und Umweltstandards in den Minen durchsetzen, um den Kleinbergbau zu einer verlässlichen Einkommensquelle für alle Beteiligten zu machen, fordert Arnaldi, der für die Denkfabrik Laboratoire Citoyennetés in Ouagadougou arbeitet.

Autor

Peter Dörrie

ist freier Journalist und berichtet über Ressourcen- und Sicherheitspolitik in Afrika.
Kevin Telmer ist da ganz zuversichtlich. „Es ist absolut möglich, den handwerklichen Kleinbergbau zu formalisieren“, sagt der Direktor der kanadischen Hilfsorganisation Artisanal Gold Council und verweist auf zwei Pilotprojekte. Durch verbesserte Steinmühlen und gravimetrische Waschsysteme, die Gold mittels Schwerkraft von den leichteren Sedimenten trennen, könnten Goldschürfer auf gefährliche Chemikalien verzichten, den Staub reduzieren und trotzdem ihr Einkommen erhöhen. Die laut Telmer „nur wenig anspruchsvollere Technik“ kann bis zu 30 Prozent mehr Gold aus dem Gestein lösen als die gängigen Methoden. Die etwa 72.000 Euro teure Investition könne so auch in mittelgroßen Minen innerhalb von sechs Monaten aus eigener Kraft finanziert werden, meint Telmer.

Schwieriger wird es, gegen die kriminellen Machenschaften anzugehen. Aktuell entgehen der burkinischen Regierung jährlich etwa 207 Millionen Euro Steuereinnahmen durch Schmuggel und Steuerhinterziehung in der Handelskette des handwerklichen Goldbergbaus. Sowohl die Hintermänner dieses Handels als auch korrupte Beamte und Politiker haben einen starken Anreiz, sich gegen Reformen zu wehren. Gelänge es dem Staat, wenigstens einen Teil der Steuern einzutreiben und in den Kleinbergbau zu reinvestieren, könnten davon große wirtschaftliche Impulse ausgehen.

Dazu beitragen könnte ein staatliches Goldhandelshaus. An dieses könnten Goldschürfer direkt verkaufen und von einem garantierten Preis profitieren, der sich am Weltmarkt orientiert. Ein ähnliches System wurde in Burkina Faso in den 1990er Jahren auf Druck der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds abgeschafft. Der Goldhandel wurde liberalisiert und weitgehend der staatlichen Kontrolle entzogen. Profitieren würden von einer stärkeren staatlichen Präsenz im Kleinbergbau vor allem die Arbeiter in Minen wie Alga, Karentenga und Tikando. Das sollte möglichst bald geschehen, denn auch wenn Burkina Faso mit großen Goldvorkommen gesegnet ist, so bleibt doch auch das edelste aller Metalle vor allem eines: endlich.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2015: Gesundheit: Ohne Fachkräfte geht es nicht
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