Vor kurzem erzählte mir ein Anästhesist, dass auf seiner Station die Beatmungsgeräte nicht funktionierten. Das sei dort normal. Er arbeitet in einer Universitätsklinik in einem Land in Asien. Während einer Operation musste ein Patient per Hand beatmet werden. Kaum etwas ist frustrierender für einen Arzt, als in einem Operationssaal mit kaputten Geräten zu arbeiten. Oder für einen Krankenpfleger, dem aufgrund einer schlechten Verwaltung Handschuhe und Medikamente fehlen, weshalb er seinen Job nicht vernünftig machen kann. Genauso frustrierend sind ewig lange Verfahren, bis nötige Beschaffungen endlich mal genehmigt sind. Aber das ist der Alltag von Gesundheitsfachkräften in den Entwicklungsländern Afrikas, Asiens und Südamerikas.
Es ist kaum verwunderlich, dass laut Umfragen Fachkräfte im Gesundheitswesen nicht nur deshalb auswandern, weil ihnen in anderen Ländern höhere Löhne und ein sichereres Umfeld winken. Der Hauptgrund sind die miserablen Bedingungen im eigenen Land: Die schlechten Gesundheitssysteme, die miserablen Lebensumstände, die hohe Arbeitsbelastung und das schlechte Management – all das ist Anstoß, zu gehen.
Das Gesundheitssystem eines Landes hat drei Funktionen: Die Politik muss zum einen Strategien ausarbeiten und zum anderen den Rahmen für die Umsetzung schaffen. In den Kliniken und Arztpraxen wiederum werden die beschlossenen Dienstleistungen dann angeboten. Auf dieser Ebene, an der Schnittstelle zwischen Öffentlichkeit und System, verläuft die Frontlinie des Gesundheitssystems. Hier wird von vorbeugenden Maßnahmen über medizinische Grundversorgung bis zur anspruchsvollen Behandlung durch Fachärzte alles für die Gesundheit bereitgestellt.
Außerhalb der öffentlichen Gesundheitssysteme
Die drei Ebenen des Gesundheitssystems hängen zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Gibt es auf einer Ebene ein schlechtes Management, dann schlägt das auch auf die anderen beiden Ebenen durch. Mit anderen Worten: Es ist zwar wichtig, mehr Ärzte, Pflegerinnen und anderes Gesundheitspersonal gut auszubilden und einzustellen. Doch ebenso wichtig ist es, diese Fachkräfte gut zu betreuen und sicherzustellen, dass sie professionell geleitet werden.
Nach einem Beweis dafür, dass das auch in Entwicklungsländern möglich ist, muss man nicht lange suchen. In den vergangenen gut zehn Jahren gab es viele groß angelegte Förderprogramme in Entwicklungsländern – finanziert vom Globalen Gesundheitsfonds, der Weltbank oder der Stiftung von Bill und Melinda Gates. Die Initiativen sind meist auf die Bekämpfung einer Krankheit ausgerichtet, zum Beispiel Aids, Tuberkulose oder Malaria. Das hat die Gesundheitssituation in vielen Entwicklungsländern deutlich verbessert.
Um den strengen Leistungsanforderungen zu genügen, werden solche Programme meistens außerhalb des öffentlichen Gesundheitssystems durchgeführt – entweder von einer eigens eingerichteten Verwaltung oder von großen Hilfsorganisationen oder beiden gemeinsam. Die nichtstaatlichen Organisationen stellen gute Manager ein, bilden sie fort und zahlen ihnen höhere Gehälter. Die Regierungen richten gesonderte Stellen für eine effiziente Projektleitung und Rechenschaftspflicht ein, wählen fähiges Verwaltungspersonal aus, das so wie die Gesundheitsfachkräfte im Rahmen des Programms regelmäßig geschult und fortgebildet wird. Doch nur sehr wenig davon sickert bis zum öffentlichen Gesundheitssystem durch, für das sich die Geber nur mäßig interessieren, weil es viel Personal erfordert und hohe laufende Kosten verursacht.
Die kirchlichen Organisationen machen es besser
Während die von außerhalb finanzierten Sonderprogramme rundum gepäppelt und gestärkt werden, konzentriert sich das Engagement der Geber für das allgemeine Gesundheitssystem vor allem auf Ärzte und Krankenschwestern. Doch nicht das Fachwissen, sondern das alltägliche Management von Gesundheitseinrichtungen macht den Unterschied für die Arbeit medizinischer Fachkräfte. Und das liegt in den Händen von Menschen, die angeheuert wurden, als Management-Kenntnisse noch nicht hoch im Kurs standen. Sie wurden nur wenig beachtet und zudem schlecht bezahlt. Das macht es schwierig, professionelle Manager für den Job zu gewinnen.
Die kirchlichen Hilfswerke haben dem Gesundheitsmanagement mehr Aufmerksamkeit geschenkt als die meisten internationalen Hilfsorganisationen. Das liegt daran, dass ihre Mitarbeiter und Führungskräfte oft über Erfahrung von der Graswurzelebene in Entwicklungsländern verfügen: Viele haben mit lokalem Personal zusammengearbeitet und können nachvollziehen, wie wichtig eine gute Führung für alle Bereiche des Gesundheitssystems ist. Hinzu kommt, dass sie sich verpflichtet fühlen, ihre Partner auf der Grundlage einer gemeinsam vereinbarten Entwicklungsagenda zu stärken – auch auf der Management-Ebene.
Autor
Vijay Aruldas
ist entwicklungspolitischer Berater für Management im Gesundheitswesen. Er lebt in Delhi und war von 2000 bis 2012 Generalsekretär der Christian Medical Association of India.Um diese Ansprüche zu erfüllen, muss wie die politische Ebene auch das Management in den Kliniken, Gesundheitseinrichtungen und in der für Gesundheit zuständigen lokalen Verwaltung gestärkt werden. Es muss fähiges Personal eingestellt, fortlaufend geschult und von Fachleuten beraten werden. Zudem braucht es passende Managementsysteme und ausreichend ausgestattete Budgets, sie umzusetzen.
Internationale Entwicklungsorganisationen sollten sich für diese Anliegen in ihrer Lobby- und Advocacy-Arbeit starkmachen. Die Stärkung von öffentlichen Gesundheitssystemen muss ein Schwerpunkt der internationalen Entwicklungshilfe werden.
Aus dem Englischen von Hanna Pütz.
Neuen Kommentar hinzufügen