Als die amtierende EU-Kommission vor einem Jahr antrat, zog sie schnell ein Vorhaben ihrer Vorgängerin zurück: die EU-Abfallrichtlinie von 2006 zu überarbeiten. Stattdessen versprach sie, noch vor Ende 2015 eine neue „umfassende und ehrgeizigere“ Version vorzulegen. Im April präsentierte sie einen Plan für eine Kreislaufwirtschaft, der in der Tat anspruchsvolle Ziele vorgab. Darin war sogar die Rede von Anforderungen an die Produktionsweise, so dass Geräte leichter repariert werden könnten oder zumindest die enthaltenen Wert- und Werkstoffe besser zu trennen und wieder aufzubereiten wären. Das EU-Parlament bestärkte im Juli gegenüber der Kommission gerade diese Aspekte.
Doch inzwischen wird erkennbar, dass davon nicht viel bleibt. Eine Konferenz der Kommission im Juni mit 700 Interessenvertretern, vornehmlich von Industrie- und Handelsverbänden, und eine öffentliche Konsultation übers Internet gaben die Richtung vor. Ergebnis: Die neue Richtlinie wird voraussichtlich nur den Umgang mit dem in der Europäischen Union anfallendem Abfall regeln, jedoch nicht sein Zustandekommen. Den Entwürfen zufolge will die Kommission die Menge an Hausmüll bis 2025 um 70 Prozent verringern oder aber wiederverwerten. Der Verpackungsabfall soll sogar um 80 Prozent verringert werden, und Müllkippen soll es nach 2030 überhaupt keine mehr geben. Einige Wirtschaftsverbände und Vertreter von Kommunen wenden ein, Hausmüll mache nur ein Zehntel des Problems aus; die Richtlinie vernachlässige den Umgang mit Bauschutt und Biomasse.
Richtlinie widerspricht anderen EU-Regeln
Die Kommission selbst weist in ihrem Fahrplan darauf hin, dass mindestens zwanzig weitere EU-Regelungen fürs Erreichen dieser Mengenbegrenzungen eine Rolle spielen. Doch sie sagt nichts dazu, wie sie dieser Verzettelung beikommen will. So pochen Lobbygruppen auf Widersprüche etwa zur Richtlinie für Chemiestoffe oder zu der für Werkstoffe in Elektrogeräten. Die Diskussionen darüber werden die Beratungen in Ministerrat und Parlament gehörig in die Länge ziehen.
Der Entwurf der Kommission sagt auch nichts zum grenzüberschreitenden Handel mit Müll. Eine gemeinsame Untersuchung der Kommission, einiger Agenturen der Vereinten Nationen sowie von Interpol fand heraus, dass 2012 von insgesamt 9,5 Millionen Tonnen Elektroschrott der Europäischen Union etwa zwei Drittel legal oder illegal verkauft wurden; 1,3 Millionen Tonnen davon verließen die EU undokumentiert.
Noch im vergangenen Jahr mühten sich die EU-Instanzen damit ab, für die EU-Richtlinie von 2003 – die in mehreren EU-Ländern noch nicht einmal in Kraft ist und auch in Deutschland erst ab diesem Oktober gilt – mehr und bessere Inspektionen zu erreichen, um frei handelbare Gebrauchtware von Schrott zu unterscheiden, der nur an anerkannte Verwerter exportiert werden darf. Und schon gar nicht fasst die Abfallrichtlinie einige ganz große Brocken an: Wrackschiffe von EU-Reedern, die ausgeflaggt und in Indien oder Bangladesch auf den Strand gesetzt und dort unter unsäglichen Arbeitsbedingungen auseinandergenommen werden.
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