Aufruf zum Ungehorsam?

Politposse um „Südwind“
Das österreichische „Südwind-Magazin“ hat seinen Lesern Tipps gegeben, wie man die Abschiebung von Flüchtlingen verhindern kann. Dafür wurde das Magazin wegen Aufforderung zum Gesetzesbruch angezeigt.

„Abschiebungen finden oft gegen den Willen der Betroffenen statt. Versuchen Sie, von dem/der Betroffenen zu erfahren, ob alles rechtmäßig verlaufen ist.“ So war es im „Südwind-Magazin“ im vergangenen Juni zu lesen, in der Rubrik „Wie geht das?“, die sich dieses Mal dem Thema „Abschiebung verhindern“ widmete. Und dann gab die Redaktion den Tipp: „Wenn dies nicht der Fall ist, machen Sie Mitreisende darauf aufmerksam, was geschehen soll, und protestieren Sie beim Boden- und Flugpersonal, versuchen Sie, Unterstützung zu gewinnen.“

Hat die Redaktion damit zu „Ungehorsam gegen ein Gesetz“ aufgefordert? Rechtsgerichtete Politiker in Wien sehen das so. Das „Südwind-Magazin“ unternahm mit der Juninummer einen Relaunch mit neuem Layout und inhaltlicher Neugestaltung. Das Heft wurde auch im entwicklungspolitischen Ausschuss im Parlament verteilt, wo Abgeordnete der FPÖ und des Team Stronach darauf aufmerksam wurden. Johannes Hübner von der FPÖ wollte in einer parlamentarischen Anfrage vom 7. Juli von der Innenministerin wissen, ob ihr Ressort das Magazin finanziere: „Wenn ja, haben Sie Anweisung gegeben, die Förderungen für das Magazin umgehend einzustellen?“ Eine noch viel ausführlichere Anfrage richtete das Team Stronach an Außenminister Sebastian Kurz, der unter anderem Auskunft geben sollte, ob „rechtliche Schritte gegen den/die Verfasser bzw. Urheber der 'Abschiebungsgrafik'“ eingeleitet würden.

Der Minister beschied in seiner schriftlichen Antwort vom 17. August, dass das „Südwind-Magazin“ Fördermittel der Austrian Development Agency (ADA) erhalte; die ADA sei jedoch nicht an der inhaltlichen Gestaltung des Magazins beteiligt. Im Übrigen sei eine „Sachverhaltsdarstellung“ an die Justizbehörden ergangen – was einer Anzeige gleichkommt.

ADA-Geschäftsführer Martin Ledolter bestreitet, dass die Initiative für die Anzeige von seinem Büro ausgegangen sei. Vielmehr habe „ein anonymer Leser“ das Magazin angezeigt und die ADA darüber informiert. Ledolter selbst äußert sich vorsichtig: „Ob beim gegenständlichen Artikel der Tatbestand der Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und somit ein Rechtsbruch vorliegt, lässt sich im konkreten Fall mangels Rechtsprechung nicht mit abschließender Sicherheit sagen.“ Die Entscheidung, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird oder nicht, liege bei der Staatsanwaltschaft Wien. Nach Paragraph 281 des österreichischen Strafgesetzbuches (StGB) macht sich strafbar, „wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise, dass es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, zum allgemeinen Ungehorsam gegen ein Gesetz auffordert“.

Juristisch einwandfrei

Beim Südwind-Magazin hatte man sich zunächst gewundert, dass der Relaunch im Newsletter der ADA keine Erwähnung fand. Chefredakteurin Irmgard Kirchner sagt: Durch die Anfragen der FPÖ und von Team Stronach werde versucht, „eine Sache künstlich aufzubauschen, um – aus welchen Motiven und Intereressen auch immer – eine kritische Stimme der Zivilgesellschaft mundtot zu machen“.

Die Angelegenheit ist für die ADA und für die Südwind-Redaktion unangenehm, auch wenn laut Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen in der Sache angestellt werden. Das Magazin finanziert sich zu einem erheblichen Teil aus dem Budget für „Entwicklungspolitische Kommunikation und Bildung in Österreich“, im Vorjahr waren das 236.911 Euro. Dass die Rechtsparteien einen Anlass gefunden haben, die Förderung in Frage zu stellen, erzeugt unerwünschte Aufmerksamkeit. Denn auch in der ADA hat das Magazin nicht nur Freunde.

„Aus juristischer Sicht ist der Beitrag einwandfrei“, sagt Kirchner, die sich auf ein Gutachten einer Medienanwältin berufen kann. Um der ADA entgegenzukommen, drückte die Redaktion in der folgenden Nummer in einer kurzen Stellungnahme ihr Bedauern aus: Der Beitrag könne „missverständlich gelesen“ werden; keinesfalls habe man den Eindruck erwecken wollen, „den Rechtsstaat in Frage zu stellen oder zu einer strafbaren Handlung aufzufordern“. Um das zusätzlich zu unterstreichen, wählte man für die Rubrik „Wie geht das?“ dieses Mal das unverfängliche Thema „Einfach nett sein“.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2015: Gesundheit: Ohne Fachkräfte geht es nicht
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