Reizthema Hustensaft

Die Arzneimittelfirma Spitzner geht im Streit um ihr Medikament „Umckaloabo“ in die Offensive. Im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit um die Patentierung des Mittels werfen Hilfswerke dem Unternehmen „Biopiraterie“ vor. Spitzner hingegen beharrt darauf, rechtmäßig zu handeln, verzichtet aber auf fünf Patente.

Spitzner hatte bislang insgesamt sieben Patente für das Medikament „Umckaloabo“, das aus den Wurzeln der südafrikanischen Kapland-Pelargonie hergestellt wird. Das Mittel dient der Behandlung von Atemwegsbeschwerden und gehört zu den meistverkauften Medikamenten in Deutschland; der Konzern Schwabe, zu dem Spitzner gehört, bietet es in mehr als 40 Staaten an. Drei Konkurrenzfirmen sowie die Entwicklungsorganisationen „Erklärung von Bern“ aus der Schweiz und das südafrikanische African Centre for Biosafety, das vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) unterstützt wird, hatten gegen eines der Patente Einspruch eingelegt. Im Januar gab das Europäische Patentamt (EPA) den Konkurrenten von Spitzner Recht und widerrief das Patent, das die Extraktion des Wirkstoffs betrifft, weil „keine erfinderische Tätigkeit“ vorliege.

Die Kapland-Pelargonie wächst vor allem in der südafrikanischen Provinz Eastern Cape sowie in Lesotho. Der EED und das African Centre for Biosafety werfen der Firma Spitzner vor, sie habe die Pflanze ohne Einverständnis der Menschen in der Region genutzt und patentieren lassen. Außerdem beteilige sie die Einheimischen nicht ausreichend am geschäftlichen Erfolg mit „Umckaloabo“. Das aber verlange die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen (CBD), der Deutschland 1992 beigetreten ist. Da Spitzner das im südlichen Afrika nicht tue, habe es gegen die „öffentliche Ordnung“ und die „guten Sitten“ verstoßen und somit gegen einen Artikel des Europäischen Patentübereinkommens.

Das EPA ist dieser Argumentation in seiner Entscheidung vom Januar allerdings nicht gefolgt. Spitzner wertet das EPA-Urteil deshalb als Beleg für ein korrektes Vorgehen im südlichen Afrika, wie Geschäftsführer Traugott Ullrich auf einer Veranstaltung Anfang Mai in Frankfurt am Main erklärte. Michael Frein vom EED hingegen weist darauf hin, dass sich das Patentamt zum Vorwurf der „Biopiraterie“ inhaltlich gar nicht geäußert habe. Deshalb, so Frein, sei Spitzners Schlussfolgerung, die Firma produziere ihr Medikament korrekt, „unlautere Öffentlichkeitsarbeit“. Zudem beharrt laut dem African Centre for Biosafety mindestens ein Ort in der betroffenen Region darauf, von Spitzner nicht wegen der Nutzung der Pflanze gefragt worden zu sein.

Auch in anderen Fragen liegen die Streitparteien weit auseinander. So verwies Ullrich in Frankfurt darauf, dass Spitzner die lokale Bevölkerung über ein Programm zum Vorteilsausgleich (Access and Benefit Sharing, ABS) an den Profiten aus der Pelargonie beteilige – so wie es die CBD vorsehe. Eine Sprecherin von Spitzner sagte auf Nachfrage, über Einzelprojekte dieses Programms könne das Unternehmen nicht sprechen; es handele sich um Geschäftsgeheimnisse. Stattdessen verwies sie auf ein anderes Projekt: die firmeneigene „Umckaloabo-Stiftung“, die Projekte zur Gesundheitserziehung und Ausbildung im südlichen Afrika fördere. Michael Frein und das African Centre for Biosafety bezweifeln indessen, dass es Spitzners ABS-Programm wirklich gibt. Bisher fehle dafür jeglicher Nachweis, sagen sie. Die Stiftung von Spitzner sei zwar begrüßenswert, sie sei jedoch kein Ersatz für das ABS.

EED: Die Bundesregierung erfüllt ihre Aufgaben nicht

In einem Punkt sind sich Spitzner und seine Kritiker allerdings einig: Beide Seiten wünschen sich eine Lösung des grundsätzlichen Konflikts zwischen dem Schutz von Innovationen und Forschungsergebnissen durch das internationale Patentrecht einerseits und dem Schutz der biologischen Vielfalt durch die UN-Konvention andererseits. Michael Frein fordert, dass das EPA sich in Zukunft über die Herkunft von Wirkstoffen informiert, bevor es Patente vergibt. Auch die Bundesregierung sieht er in der Pflicht: Das Wirtschaftsministerium erfülle seine Aufgabe nicht, Unternehmen über die Biodiversitätskonvention zu informieren. Das führe zu Streit, der viel Energie und Geld koste.

Spitzner hat unterdessen Ende April fünf der sieben Patente für „Umckaloabo“ aufgegeben und auf eine Revision der EPA-Entscheidung vom Januar verzichtet. Man wolle nicht länger Spielball der öffentlichen Diskussion sein, erklärte Spitzner-Geschäftsführer Ullrich in Frankfurt.

 

erschienen in Ausgabe 6 / 2010: Vom klein sein und groß werden
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