Nach der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba war bei vielen armen Ländern und Vertretern der Zivilgesellschaft die Enttäuschung groß, dass das heiße Eisen der Steuervermeidung multinationaler Konzerne nicht in ihrem Sinne aufgegriffen wurde. Denn damit gehen Entwicklungs- und Schwellenländern laut Schätzungen der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) jährlich zwischen 100 und 200 Milliarden US-Dollar verloren. Geld, das dringend für Investitionen in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur benötigt wird.
Maya Forstater vom Center for Global Development warnt jedoch vor Missverständnissen und überzogenen Erwartungen. Es gehe zwar um eine bedeutende Summe – wenn man sie jedoch auf die einzelnen Länder umrechne, sei sie im Vergleich zum Bedarf an Investitionen in öffentliche Dienste schon weniger groß, schreibt sie in einem aktuellen Diskussionspapier.
Darüber hinaus kritisiert sie irreführende Vergleiche: Man könne nicht einfach grobe Schätzungen von Steuerverlusten der tatsächlich gezahlten Entwicklungshilfe oder errechneten Lücken in der Finanzierung von Gesundheitssystemen gegenüberstellen. Es sei unwahrscheinlich, dass oft zitierte Aussagen wie „Entwicklungsländer verlieren drei Mal so viel Geld an Steueroasen wie sie an Entwicklungshilfe bekommen“ der Wirklichkeit standhalten könnten.
Regierungen armer Länder sei es nur begrenzt möglich, zusätzliches Geld aus der Besteuerung multinationaler Konzerne zu erhalten. Das hänge zum einen von der Höhe der Profite ab, der durch ausländische Investitionen erzielt wird, erklärt Forstater. Zum anderen könnten Unternehmen als Folge einer effektiveren Besteuerung ihre Investitionspolitik ändern – und so die möglichen Steuereinnahmen verringern. Eine nationale Steuerstrategie dürfe deshalb nicht nur auf die Unternehmenssteuern bauen.
Die „großen Zahlen“ im Zusammenhang mit Steuervermeidung hätten zwar klar gemacht, wie wichtig einheimische Ressourcen für Entwicklungsfinanzierung sind und dass die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen gestärkt werden müsse. Die Berechnungen seien aber oft unvollständig und vernachlässigten unbeabsichtigte Folgen von Steuerreformen. Nötig seien solide Daten und eine objektive Debatte, um daraus Strategien abzuleiten.
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