Autorin
Beate Wörner
ist freie Journalistin in Stuttgart mit den Schwerpunkten Landwirtschaft und Entwicklungspolitik.Internationale Organisationen wie die FAO, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Weltbank sind sich mit der Wissenschaft einig: Wir können die Weltbevölkerung ernähren. Zu diesem Ergebnis kam 2008 auch der Weltagrarbericht (IASSTD). Darin fassten internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Auftrag der Vereinten Nationen und der Weltbank den Stand des Wissens über die globale Landwirtschaft, ihre Geschichte und ihre Zukunft zusammen. Sie fordern ein Umsteuern von der Verschwendung von Ressourcen zur Nachhaltigkeit, von der Förderung der industrialisierten Landwirtschaft zu mehr Hilfen für Kleinbauern. Die FAO hat das inzwischen aufgegriffen, und das UNEP weist der nachhaltigen Landwirtschaft eine Schlüsselrolle zu beim Umbau der Wirtschaft zu einer ökologischen Marktwirtschaft (Green Economy).
Auf rund 1,5 Milliarden Hektar werden derzeit Nahrungs-, Futter- und Energiepflanzen angebaut. Diese Fläche entspricht nicht ganz der Größe Europas. Seit den 1960er Jahren ist sie langsam aber stetig gewachsen. In den vergangenen zwanzig Jahren nahm die Anbaufläche in Ostasien und Afrika südlich der Sahara am stärksten zu, im Mittleren Osten, in Nordafrika und in Südasien blieb sie unverändert, in Europa und dem früheren Ostblock dagegen schrumpfte sie. Auch die Weideflächen haben in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen und betragen weltweit etwa 3,4 Milliarden Hektar, also gut das Doppelte der Ackerflächen.
Um einen Menschen zu ernähren, braucht man heute etwa ein Drittel eines Fußballfeldes. In den 1960er Jahren waren es noch zwei Drittel. Das liegt am Anstieg der Produktivität in der intensiven Landwirtschaft. Doch er hat sich in den zurückliegenden zwanzig Jahren deutlich verlangsamt. Will man mit der Nachfrage nach Nahrungsmitteln Schritt halten, dann müssen nach Prognosen der Ernährungsorganisation FAO bis 2030 insgesamt rund 47 Millionen Hektar zusätzlich für die landwirtschaftliche Produktion erschlossen werden. Nach Schätzungen der Weltbank stünden dafür noch etwa 446 Millionen Hektar zur Verfügung – also fast das Zehnfache dessen, was benötigt wird.
Mehr als die Hälfte davon ist in sieben Ländern konzentriert: das meiste im Sudan, gefolgt von Brasilien, Australien, der Russischen Föderation, Argentinien, Mosambik und der Demokratischen Republik Kongo. Allerdings kritisieren Fachleute, dass diese Schätzung allein auf Satellitendaten beruht. Sie gebe keinen Aufschluss über die Bodenqualität und darüber, ob diese Flächen bereits genutzt werden, beispielsweise für Wanderfeldbau oder als Jagd- und Weidegebiete. Auch traditionelle Eigentums- und Nutzungsrechte würden nicht berücksichtigt. Die tatsächlich verfügbare Fläche könnte also deutlich geringer sein.
Jemen: Ernährungssicherung
in weiter Ferne
Etwa ein Drittel der Menschen im Jemen hungert. Im neuesten Welthungerindex (WHI) steht das Land im Süden der Arabischen Halbinsel auf Platz 72, dahinter kommen nur ...
Knapp ist in vielen Regionen aber das Wasser. Gut zwei Drittel des jährlich verbrauchten Süßwassers fließen heute in die Landwirtschaft, in manchen Regionen, beispielsweise im Nahen und Mittleren Osten, sogar 90 Prozent und mehr. Im Vergleich zum Regenfeldbau kann man in der Bewässerungslandwirtschaft auf der gleichen Fläche im Durchschnitt den doppelten Ertrag ernten. Und da auf bewässerten Feldern in der Regel mindestens zwei Kulturen pro Jahr angebaut werden, ist der Ertrag noch höher. Schon heute werden auf nur einem Fünftel der Getreideanbauflächen zwei Fünftel der globalen Getreideproduktion erzeugt. Vor allem in den dicht besiedelten Regionen Südostasiens haben Investitionen in Bewässerungslagen seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Erträge deutlich gesteigert. In Afrika dagegen spielt die Bewässerungslandwirtschaft noch immer eine untergeordnete Rolle, vor allem aus Mangel an Investitionen.
Das Internationale Institut für Wasserwirtschaft (IWMI) schätzt, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts 70 bis 90 Prozent mehr Wasser benötigt werden als heute, um die Ernährung zu sichern. Bei dieser Prognose unterstellen die Wissenschaftler gleichbleibende landwirtschaftliche Produktionsmethoden und Konsumgewohnheiten. Umweltfachleute fordern jedoch, die Wasserentnahme für die Landwirtschaft zu verringern, wenn weitere Umweltschäden vermieden werden sollen. Im 20. Jahrhundert sind ihr fast die Hälfte aller Feuchtgebiete der Welt bereits zum Opfer gefallen. Außerdem führt die intensive Bewässerungslandwirtschaft zu einer zunehmenden Versalzung der Böden; Oberflächengewässer und Grundwasser werden mit Pestiziden und Düngemitteln verseucht.
Um gleichzeitig die Produktion zu steigern und die Umwelt zu schützen, muss in der Bewässerungslandwirtschaft die Verschwendung eingedämmt werden. Ein besseres Wassermanagement im Betrieb ist eine Möglichkeit dazu. Eine andere ist Präzisionsbewässerung, etwa Tröpfchenbewässerung, bei der Wasser gezielt nur an die Wurzeln der Pflanzen getröpfelt wird. Die Anlagen dafür erfordern allerdings größere Investitionen und sind daher eher etwas für die kommerzielle Landwirtschaft. Wasser lässt sich aber auch sparen, indem man nur dann bewässert, wenn es unbedingt nötig ist, um größere Ertragseinbußen zu verhindern.
Sparsame Bewässerung und moderne Technik führen allerdings nicht automatisch zu weniger Verbrauch und schonen damit die Wasserressourcen. Die Praxis zeigt, dass die Menge, die eingespart wird, zur Bewässerung weiterer Flächen verwendet werden kann oder zum Anbau von Pflanzen, die noch mehr Wasser benötigen. Lediglich über das Management von ganzen Wassereinzugsgebieten lässt sich der Verbrauch verringern oder das Wasser so zuteilen, dass die Vorräte nicht übernutzt werden und das vorhandene Nass so gerecht wie möglich auf die Flächen verteilt wird.
Aufs Pflügen wird verzichtet
Erträge können zudem gesteigert werden, indem das Regenwasser besser genutzt wird. Immerhin fließen nur 40 Prozent der Niederschläge in Flüsse und Seen oder ins Grundwasser, die anderen 60 Prozent verdunsten oder werden von Pflanzen aufgenommen. Sie lassen sich mit einfachen Methoden auffangen – beispielsweise mit kleinen Wällen quer zur Fließrichtung des Wassers oder kleinen Staudämmen – und verlängern so die Anbausaison. In trockenen Gebieten können mit dem Regenwasser Anbauflächen zusätzlich bewässert werden.
Früher galten große moderne Betriebe als entscheidend. Doch in den vergangenen Jahren hat sich eine neue Sicht durchgesetzt: Die Ernährung kann nur gesichert werden, wenn das Potenzial der weltweit mehr als 500 Millionen kleinbäuerlichen Betriebe genutzt wird. Sie bewirtschaften drei Fünftel der weltweiten Agrarfläche, meistens die schlechteren Böden, haben schlechteren Zugang zu Dienstleistungen und Betriebsmitteln wie Kredite und Saatgut und produzieren schon heute den größten Teil der Nahrungsmittel. Der Weltagrarbericht erregte noch Aufsehen mit seiner Forderung, die Kleinbauern zum Motor der Ernährungssicherung zu machen. Heute ist es das allgemein anerkannt. Die FAO hat sich im vergangenen Jahr für die „nachhaltige Intensivierung“ dieser Betriebe ausgesprochen.
Das Mittel der Wahl ist eine Bodenbearbeitung, die den Boden erhält. Dabei wird auf das Pflügen verzichtet, der Boden ist ständig von Pflanzen bedeckt, und nicht jedes Jahr wird die gleiche Kultur angebaut. Der Boden ist deutlich weniger der Erosion preisgegeben, er kann Wasser besser aufnehmen und speichern, es werden weniger Nährstoffe ausgewaschen und die Zahl der Bodenlebewesen steigt. So stehen den Pflanzen mehr Nährstoffe zur Verfügung.
Allerdings kommt die konservierende Bodenbearbeitung bisher kaum ohne Unkraut-Vernichtungsmittel aus, denn landwirtschaftliche Kulturen und der vorhandene Bewuchs konkurrieren miteinander um Nährstoffe, Wasser und Licht. Herbizide verschaffen Soja, Mais oder anderen Nutzpflanzen den entscheidenden Überlebensvorteil. Außerdem braucht man spezielle Maschinen, zum Beispiel für die Direktsaat, und sehr viel Wissen. In der Regel fehlt Kleinbauern in Entwicklungsländern beides; das macht es schwierig, die konservierende Bodenbearbeitung einzuführen.
Verbessertes Saatgut ist eine der wichtigsten Voraussetzungen
Schonende Bodenbewirtschaftung spielt laut dem Weltagrarbericht auch eine zentrale Rolle beim Klimaschutz. Die Landwirtschaft ist für etwa ein Drittel aller Klimagasemissionen verantwortlich – unter anderem als Folge der derzeitigen Produktionsmethoden. Beispielsweise entstehen bei der Rinder- und Reisproduktion große Mengen Methan, beim Abbau von Stickstoffdünger und Gülle wird Lachgas freigesetzt. Beim Pflügen entweichen große Mengen Kohlendioxid aus der Erde, so bearbeitete Böden sind schlechte Kohlenstoffspeicher. Begrünte Böden mit gutem Humusgehalt dagegen können wesentlich größere Mengen CO2 speichern.
Wichtige für die Ernährung sind auch verbessertes Saatgut und lokal angepasste Sorten sowie eine größere Vielfalt auf dem Acker. Jahrzehntelang konzentrierte sich die privatwirtschaftliche Züchtung auf das, was in der industrialisierten Landwirtschaft gefragt war: Reis, Weizen, Mais, Soja, Raps, Baumwolle – Ertragssteigerungen und einheitliche Sorten waren das Ziel. Um andere wichtige Nahrungspflanzen wie Sorghum oder Bohnen, die nicht rund um den Globus angebaut werden, oder lokale Gemüsearten kümmerte sich eher die öffentliche Agrarforschung, die in den vergangenen Jahrzehnten finanziell dürftig ausgestattet war. Doch gerade darin schlummert noch viel Potenzial.
Seit Ende des vergangenen Jahrhunderts forscht etwa das Internationale Institut für Nutzpflanzenforschung in den semiariden Tropen (ICRISAT) in Mali intensiv an Sorghum – und zwar gemeinsam mit den Bauern. Gut ein Dutzend neue Sorten sind entstanden, die erfolgreich den Praxistest überstanden haben. Unter schlechten Anbaubedingungen, mit wenig Wasser und ohne Dünger bringen sie etwa ein Fünftel mehr Ertrag als die alten, bei guten Anbaubedingungen sogar das Doppelte. Außerdem sind sie widerstandsfähig gegen Krankheiten und Trockenheit. Sorghum ist in Mali gefragt wie schon lange nicht mehr. Dazu trägt neben den neuen Sorten vor allem der höhere Reispreis bei.
Die Rechnung wird allerdings nur aufgehen, wenn die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern einen gesicherten Zugang zu Boden und Wasser, zu Düngemitteln, Saatgut, Maschinen und anderen Betriebsmitteln bekommen. Auch ihre Ausbildung entscheidet mit über Erfolg oder Misserfolg des Konzepts. Und es hängt von der Anbindung an die Märkte und von gerechten Preisen ab, ob die Kleinbauern mit zur nachhaltigen Ernährungssicherheit beitragen können. Hier ist neben der Politik vor allem die Wirtschaft gefragt.
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