Anstöße für eine neue Integrationsdebatte

Eine Initiative von mehr als 25 nichtstaatlichen Organisationen will die festgefahrene öffentliche Debatte über den Umgang mit Fremden wieder in Gang und in eine neue Richtung bringen. Bereits vor einem Jahr haben sich die Organisationen zu einem Netzwerk zusammengeschlossen und verschiedene Zukunftsszenarien entwickelt. Ende März haben sie sie in einer Auftaktveranstaltung unter dem Titel „13 anstoesse. oesterreich – verschieden und gleich“ zur Diskussion gestellt.

Die österreichische Debatte über Integration habe eine gravierende Schwäche, heißt es bei den beteiligten Organisationen: „Im Vordergrund stehen meist Defizite, viel zu wenig wird darüber gesprochen, wie wir eigentlich in diesem Land zusammenleben wollen“. Das Fremdenrecht, das seit 2006 im Halbjahresrhythmus verschärft wurde und selbst für Experten kaum mehr durchschaubar ist, soll nach den Vorstellungen des Netzwerks transparenter und flexibler werden. Die vom damaligen Innenminister Günther Platter 2007 geschaffene Integrationsplattform habe zwar vielen Experten ermöglicht, sich einzubringen. Doch der daraus entwickelte Nationale Aktionsplan sei nicht verwirklicht worden. „Expertise haben wir genug“, meint Philipp Sonderegger von der Asylhilfeorganisation SOS Mitmensch: „Es ist nur eine Frage des Wollens.“ Die Politik reagiere auf Integrationsprobleme aber hilflos, fehlender Gestaltungswille und mangelnde Durchsetzungskraft würden mit symbolischer Politik und inszenierter Härte kaschiert.

Werner Binnenstein-Bachstein von der Wiener Caritas appelliert an die Politik, man solle sich dazu bekennen, dass Österreich ein Einwanderungsland ist. Es dürfe nicht weiter ausschließlich das Innenministerium zuständig für das Thema sein. Fremde würden in die Gesellschaft nicht aufgenommen, trotzdem erwarte man von ihnen, dass sie sich an deren „Hausordnung“ halten. Ein Paradigmenwechsel sei erforderlich: „Wir müssen sie in unser Haus rein holen.“

Der Sprachwissenschaftler Rudolf de Cillia plädiert für die Förderung der Mehrsprachigkeit. Dass Zuwanderern abverlangt wird, bereits mit einem Deutsch-Diplom ins Land zu kommen, wie in der nächsten Fremdenrechtsnovelle vorgesehen, hält er für menschenrechtlich problematisch. Er betont, dass es in einigen Bundesländern durchaus zukunftsweisende Initiativen gebe, die zur Norm werden sollten. So bildet in Vorarlberg ein „Netzwerk OK Zusammenleben“ Laiendolmetscher aus, die etwa bei Elternabenden in der Schule aushelfen können. In Niederösterreich werden Mitarbeiterinnen mit interkulturellem Hintergrund in den Kindergärten eingesetzt.

Verbündete hat das Netzwerk in der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung gefunden, die immer mehr unter Fachkräftemangel leiden, weil Österreich sich den Ruf eines fremdenfeindlichen Landes erarbeitet hat. Die Workshops, in denen die einzelnen Themen von der chancengerechten Gesellschaft über Medienpolitik bis zu Fragen von Arbeitsmarkt und Demokratie bis Juni vertieft werden sollen, sind so stark angefragt, dass die ursprünglich angemieteten Räume zu eng werden.

 

erschienen in Ausgabe 5 / 2010: Menschenrechte - Für ein Leben in Würde
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