Schallende Ohrfeige für die internationale Gemeinschaft

Mit ihrem Konzept der Verantwortung zum Schutz (Responsibility to Protect) wollen die Vereinten Nationen Menschen beistehen, die von Konflikten bedroht sind und von ihren Regierungen nicht ausreichend geschützt werden. Auf lokaler Ebene funktioniert das aber nicht, wie eine Studie des „Humanitarian Practice Network“ zeigt – ein Armutszeugnis für humanitäre Hilfsorganisationen.

Für Fallstudien in Birma, Sudan, Süd-Sudan und Simbabwe haben Wissenschaftler die Bevölkerung befragt, welchen Bedrohungen sie ausgesetzt war, wie sie sich selbst schützt und welche Hilfe sie von außen erhielt. Die Ergebnisse sind niederschmetternd für alle Bemühungen der internationalen Gemeinschaft: Die Menschen, die unter Gewalt oder den Folgen schwerer Naturkatastrophen leiden, sehen sich vor allem auf sich selbst gestellt. Die am meisten verbreitete Strategie ist zugleich die einfachste: Sie fliehen. Auch Solidarität und gegenseitige Hilfe werden großgeschrieben.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Die Hilfe von außen, erklärt Projektleiter Nils Carstensen, sei entweder gar nicht oder aber als kontraproduktiv oder im besten Falle als bescheidener Beitrag wahrgenommen worden. Gerade UN-Friedensmissionen, etwa UNMIS im Sudan, sind laut der Studie nicht das richtige Mittel für den notwendigen Schutz von Dörfern – die Truppen werden als Fremde angesehen und nicht um Unterstützung gebeten.

Die Studie offenbart ein gravierendes Unvermögen internationaler Hilfsorganisationen, sich auf die Sichtweise und die Bedürfnisse der Menschen vor Ort einzulassen. Das ist allerdings nicht so erstaunlich, denn vieles daran erscheint auf den ersten (westlichen) Blick unkonventionell oder gar unpassend und dürfte weder öffentlichen Gebern noch privaten Spendern ohne weiteres zu erklären sein. In der sudanesischen Unruheprovinz Süd-Kordofan etwa haben sich Befragte Perlen und Gitarrensaiten gewünscht: Dahinter steht das Bedürfnis, ihrem von Gewalt geprägten Alltag mit Hilfe von Festen ein wenig Glanz zu verleihen.

Dabei wird die internationale Hilfe durchaus gebraucht: In vielen Situationen sind die lokalen Schutzstrategien laut Studie zwar entscheidend für das Überleben, reichen aber nicht aus, um den Menschen ein Leben in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Um wirkungsvoll Beistand zu leisten, müssen Hilfsorganisationen bereit sein, ihre vorgefertigten Rezepte beiseite zu legen, besser zuzuhören, an lokale Mechanismen und Strukturen anzuknüpfen und diejenigen, die geschützt werden sollen, bei der Planung und Verwirklichung der Programme einzubeziehen. Eigentlich selbstverständlich.

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2012: Hunger: Es reicht!
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