Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals), kurz SDGs, sollen im September im Rahmen der Vereinten Nationen verabschiedet werden. Sie treten als eine Art Absichtserklärung der Staatengemeinschaft an die Stelle der Millenniums-Entwicklungsziele. Ein Arbeitsentwurf liegt seit einem Jahr vor.
Für ihre Verabschiedung und Umsetzung solle die Bundesregierung eine Führungsrolle übernehmen, forderte in Stuttgart Melinda Gates. Die Co-Vorsitzende der Bill und Melinda Gates Stiftung stellte jene Ziele ins Zentrum, die die MDGs weiterführen: Ausrottung der Armut und des Hungers sowie die Ermächtigung von Frauen. Dazu könne ihre Stiftung einen Beitrag leisten – auch wenn ihre Projekte, besonders in der Landwirtschaft, inzwischen auch den Klimaschutz aufgriffen.
Dirk Messner, der Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, setzt den Fokus entgegengesetzt: Er sieht in den SDGs den kaum erwarteten Paradigmenwechsel hin zu einem Entwicklungsmodell, das die ökologischen Grenzen der Erde respektiert und den Schutz globaler Gemeingüter wie des Klimas und der Weltmeere einbezieht. „Wir haben die Deutungshoheit gewonnen gegenüber denen, die planetarische Grenzen leugnen“, sagte Messner.
Schon 1992 so weit wie heute
Das sei zwar richtig, erwiderte Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung, aber so weit sei die internationale Gemeinschaft bereits 1992, beim Erdgipfel von Rio de Janeiro, gewesen. Entscheidende Fragen blieben bei den SDGs ausgespart. So machten sie die Verringerung der Ungleichheit zum Ziel, aber die wichtigsten Mittel dazu – nämlich die Besteuerung und Umverteilung von Vermögen und die Landumverteilung – würden nicht erwähnt. In der Praxis sei eine weitere Konzentration von Land und Vermögen zu beobachten. Nötig seien Strukturveränderungen in den Industrieländern, etwa den Fleischkonsum zu verringern.
Das findet auch Dirk Messner: Aus den SDGs ergäben sich Aufgaben für die reichen Länder. Die entscheidenden sieht er in der Umwelt- und Energiepolitik – der Verbrauch fossiler Brennstoffe müsse beendet und eine Kreislaufwirtschaft geschaffen werden – sowie in der Reform der internationalen Finanzmärkte. Darüber hinaus müsse der Schwung der SDGs genutzt werden, um eine globale Kultur der Kooperation zu schaffen in einer Zeit, in der die Weltordnung zu zerfallen drohe. Vom Druck aus der Gesellschaft werde es abhängen, was die SDGs bewirkten.
Der muss dann wohl erheblich wachsen, machte das Podium deutlich. So bemerkte der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, die Klimapolitik der Bundesregierung sei widersprüchlich: So lange die Emissionen aus deutschen Kohlekraftwerken nicht stark gesenkt würden, könne man kaum Südafrika den Ausstieg aus der Kohle anraten. Die Stilllegung der alten Dreckschleudern, bemerkte Unmüßig, scheitere aber am Widerstand aus Gewerkschaften und der SPD.
Kritik an der Gates-Stiftung
Dem Publikum brannten kritische Fragen zur Arbeit der Gates-Stiftung auf den Nägeln – nicht zuletzt zur Landwirtschaftsförderung in Afrika: Ist es nicht zweifelhaft, dabei mit Agrarkonzernen aus dem Westen zusammen zu arbeiten? Nein, erklärte Melinda Gates. Sie bestätigte aber, dass die Stiftung sich am Modell der Grünen Revolution aus Asien und Lateinamerika orientiert – wenn auch deren Fehler in Afrika vermieden werden sollten. Claudine Ahianyo-Kpondzo vom West Africa Network for Peacebuilding in Togo meldete Zweifel am Vertrauen auf Kunstdünger an. Von Deutschland wünschte sie sich mehr Einsatz für die Verantwortung von Investoren.
Viele im Publikum wollten auch wissen, was sie selbst zur Unterstützung der SDGs tun könnten. Barbara Unmüßig genügten die üblichen Hinweise auf fairen Konsum nicht: Wir müssten uns politisch engagieren und die Konzerne in die Pflicht nehmen. Auch ethisches Investment sei gefragt; sie forderte die Gates-Stiftung, die größte der Welt, auf, ihr riesiges Kapital nach solchen Kriterien anzulegen.
Das tue sie bisher nicht, musste Melinda Gates einräumen – nur in Tabak investiere sie nicht. Die Liste der Ausschlusskriterien, die in der Leitung der Stiftung immer wieder diskutiert werde, sei so lang, dass man am Ende kaum mehr Anlagemöglichkeiten finden würde. Und die Geschäftspolitik von Unternehmen könne man von innen, als großer Investor, eher beeinflussen als durch Verweigerung. Wo und wie die Stiftung hier Einfluss nimmt, blieb freilich offen.
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