Die Gebetsinitiative der Evangelischen Allianz streue „Sand ins Getriebe des Dialogs“. Sie sei „paternalistisch“ und „missionarisch“; der Islam werde als defizitär dargestellt. Wer den Dialog auf Augenhöhe pflege, könne kein „Ranking der Wahrheiten“ machen, lautet die Kritik derjenigen, die in den Landeskirchen für die christlich-muslimischen Beziehungen zuständig sind. Namentlich genannt werden will keiner der Dialogbeauftragten. Sie möchten nicht in Verbindung mit dieser Initiative gebracht werden und sehen das gute Verhältnis zu ihren muslimischen Gesprächspartnern aufs Spiel gesetzt.
Zugleich bietet das Thema eine Menge innerkirchliches Konfliktpotenzial. Öffentlich geäußerte Kritik am Vorgehen der evangelikalen Glaubensgeschwister kann zu endlosen Diskussionen über Mission und Dialog führen. In den Landeskirchen, wo liberale und evangelikale Ansichten mal mehr, mal weniger miteinander konkurrieren, werden derlei heikle Themen lieber umschifft.
Seit 1993 lädt die Evangelische Allianz, ein evangelikales Netzwerk von Christinnen und Christen aus verschiedenen Kirchen und Gemeinden, jedes Jahr während des Ramadan zum Gebet für die islamische Welt ein. Die Gebete seien ein „liebevolles Engagement für Muslime weltweit“, heißt es in dem Gebetskalender, der mittlerweile in 38 Sprachen vorliegt. Für jeden Tag im Fastenmonat sind konkrete Gebetsanliegen formuliert. Der Islam wird in dem Heftchen zwar nicht offen kritisiert, aber in den Fürbitten geht es häufig um die Konversion von Muslimen zum christlichen Glauben. Mal soll „für die verschiedenen Bewegungen westafrikanischer Muslime hin zu Christus“ gebetet werden, mal für die Bewohner der ursprünglichen Heimat der Bibel, also des Nahen Ostens, dass sie „zum Glauben an Jesus zurückkehren“, mal für die gesamte islamische Welt, dass der Heilige Geist weiter durch sie wehe und „viele Muslime zum Glauben an Jesus Christus finden“.
„Die Konkurrenz der Religionen lässt sich nicht negieren“
Die starke Fokussierung auf die Bekehrung hält Henning Wrogemann von der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal/Bethel, für bedenklich – allerdings weniger in Hinblick auf den Dialog hierzulande, als vielmehr auf christliche Minderheiten und Konvertierte in islamischen Ländern. „Angaben zu Konversionsbewegungen in bestimmten Ländern können für Christinnen und Christen vor Ort brandgefährlich sein. Da erweisen die Initiatoren der Gebetsinitiative der eigenen Sache einen Bärendienst“, sagt der Missions- und Religionswissenschaftler. Er wünsche sich eine größere Sensibilität im Umgang mit Bekehrungen. „Mit Konversionszahlen lässt sich der Wahrheitsgehalt einer Religion nicht beweisen“, sagt Wrogemann.
Dass Christen dafür beteten, dass Muslime zum christlichen Glauben finden, sehe er grundsätzlich nicht kritisch. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass Muslime damit ein Problem hätten. „Den Wunsch, dass Nicht-Muslime zum Islam finden, gibt es ja genauso. Die Religionen befinden sich in einer Konkurrenz, die wir nicht einfach negieren können“, sagt Wrogemann. Er frage sich allerdings, ob die Koppelung an den Ramadan so glücklich sei. Das wirke konfrontativ. „Das wäre, als würden Muslime im Advent und an Weihnachten Gott bitten, dass die Christen den Weg zum Islam finden.“
Grundsätzlich wünscht sich Wrogemann einen breiteren Blickwinkel bei solchen Gebetsinitiativen. In vielen Ländern der islamischen Welt litten die Menschen unter Armut, Korruption oder der Missachtung der Menschenrechte. Auch solche Themen könne man in die Fürbitten aufnehmen.
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