He, aufwachen, der Erzbischof spricht. Dem Nachbarn sackt schon wieder das Kinn auf die Brust. Und der grau melierte Herr zwei Reihen weiter hinten rollt angestrengt mit den Augen, damit sie ihm nicht zuklappen. Der aus Frankfurt eingeflogene Chef eines Wirtschaftsforschungsinstituts wiederum ist in sein Touchscreen-Handy vertieft.
Später wird angeregt diskutiert: „Wir haben ja nun eine ganze Reihe fragiler Staaten in Afrika.“ „Wir müssen zunächst einmal eine Anamnese vornehmen, um herauszufinden, wo es hakt.“ „Wir brauchen auf jeden Fall eine funktionierende Verwaltung und gute Rahmenbedingungen.“ „Vielleicht fehlt es an Geld? Dann brauchen wir mehr finanzielle Zusammenarbeit.“ Wir? In Afrika? Das klingt aber schon ein klein wenig paternalistisch. Wen wundert’s – die meisten Anwesenden sind wohl mindestens Großvater. Und ein einigermaßen ausgewogenes Geschlechterverhältnis wurde mit drei Frauen von insgesamt zweiundzwanzig Rednern knapp verfehlt.
Da tut es gut, wenn die frischgebackene Staatssekretärin resolut das Podium erklimmt und die Runde an einigen Neuigkeiten teilhaben lässt: „Ich kann Ihnen sagen: Die meisten armen Menschen leben gar nicht in Afrika, sondern in Indien.“ Zugehört, Herr Entwicklungsexperte? „Ich sage Ihnen mal was: Vielen ist offenbar gar nicht bekannt, dass unser Haus Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit heißt.“ Notiert, Herr Bundestagsabgeordneter? „Sie werden es vielleicht schon wissen: Wir wollen die Durchführungsorganisationen fusionieren.“ Überrascht, Herr GTZ-Geschäftsführer?
Der graumelierte Herr zwei Reihen weiter hinten lächelt im Schlaf. Willkommen auf einer Fachtagung zur deutschen Entwicklungspolitik anno 2010.