Vor der Einfahrt zum Novotel in der Altstadt von Dakar stehen drei Taxen in der gleißenden Mittagssonne. Die Fahrer, Männer um die fünfzig, hocken im Schatten eines Hauses und dösen. Schlagartig sind sie hellwach, als das Gespräch auf die „Taxi Sisters“, ihre neuen Kolleginnen, kommt. Auf die sind sie nicht gut zu sprechen. „Seit die hier sind, haben wir keine Chance mehr. Sie nehmen uns die Kunden weg“, schimpft der eine. „Sie haben die besten Plätze. Sie dürfen direkt vor dem Hotel stehen, wir müssen hier draußen warten“, unterbricht ihn der zweite.
Die weibliche Taxi-Konkurrenz sorgt für Gesprächsstoff auf Dakars Straßen – doch leicht zu finden sind die Fahrerinnen nicht. Vor den Eingangstüren des Novotel, in dem Geschäftsleute aus dem In- und Ausland absteigen, herrscht gähnende Leere. „Taxi Sisters“ ist mit weißer Farbe auf die beiden reservierten Stellplätze gepinselt. „Die sind unterwegs“, ruft ein herbeieilender Portier. Man solle doch später wiederkommen. Vorne auf der Straße warten noch immer dieselben Taxifahrer und blicken schlecht gelaunt. Ob das Ausbleiben der Kundschaft auf den Zustand ihrer Gefährte zurückzuführen ist? Wie die meisten Taxen in Dakar haben sie ihre besten Jahre weit hinter sich: Einst leuchtend gelb, sind sie inzwischen braun oder grün gescheckt. Um die Ersatzteile zu lackieren, fehlt das Geld. Über eine der Frontscheiben ziehen sich spinnennetzartig Risse. Die Sitzpolster sind speckig und ausgesessen.
Autorin
Michaela Ludwig
ist freie Journalistin in Hamburg.Zwei Straßen weiter liegt der Platz der Unabhängigkeit. Das ist das Zentrum des Plateau-Viertels, des alten Stadtkerns auf der Spitze der Landzunge, über die sich Senegals Hauptstadt weit in den Atlantik hinein streckt. Auf mehreren Spuren quälen sich Geländewagen, Taxen und Mofas. Am unteren Ende ruht, wie ein Fels in der Brandung, der alte Bahnhof, ein Relikt aus der französischen Kolonialzeit. Hier starteten einst die Bahnen in die Vorstädte, in den Norden des Landes nach St. Louis und über die Grenze in das Nachbarland Mali.
Vor dem Hotel der Unabhängigkeit, einem alles überragenden, sozialistisch anmutenden Bau, stoppt ein kleiner, leuchtend gelber Wagen. Das Schild auf dem Dach weist seine Fahrerin aus: eine „Taxi Sister“. Die Fahrgäste springen hinein, eine ausladende ältere Dame auf den Beifahrersitz, auf die Rückbank quetschen sich drei jüngere Frauen und ein Mann. Am Steuer sitzt Mariam Toure: schmal und klein, sie trägt die Dienstuniform, eine gelbe Bluse. „Was ein Mann kann, kann eine Frau doch auch“, sagt sie, auf ihren ungewöhnlichen Job angesprochen. Seit sechs Monaten ist die 25-Jährige eine Taxi-Schwester. „Am Anfang war es schwer. Meine Familie war dagegen. Und mit den anderen Fahrern gab es nur Probleme.“ Aber jetzt läuft das Geschäft gut.
Von hinten meldet sich Fatou, eine junge Frau in Jeans und edler schwarzer Bluse. „Wir sind froh, dass es endlich Taxifahrerinnen gibt. Sie fahren sicher, nicht so schnell wie die Männer.“ Ihre Freundin Oumi ergänzt: „Und freundlicher sind sie auch. Wir fahren nur noch mit ihnen.“ Zeit ist Geld, Mariam tritt ungeduldig auf das Gaspedal, der Motor heult auf. Und wie finden die Fahrgäste die „Taxi Sisters“? Fatou zeigt ihr Mobiltelefon. „Wir rufen sie an.“ Der Wagen fädelt sich zwischen zwei Taxen ein. Der andere Fahrer hupt und gestikuliert.
Es gibt erstaunlich viel Aufregung um gerade einmal zwanzig Taxifahrerinnen. Doch es geht wohl um mehr als nur um neue Konkurrenz auf den Straßen der Hauptstadt. Die Kolleginnen werden vielmehr als Angriff auf die patriarchal organisierte Welt der Wolof, der größten Bevölkerungsgruppe des Senegal, empfunden. Gerade das lukrative Transportgeschäft befindet sich in den Händen der größten und einflussreichsten Muslimbruderschaft des Landes.
Vor zweieinhalb Jahren gründeten zehn Senegalesinnen die erste Taxifahrerinnen-Kooperative in Westafrika. Die Idee stammt von Frauengruppen, wurde im Wahlkampf jedoch von der Regierungspartei aufgegriffen. Das Frauenministerium und der Fonds für die Unternehmensführung von Frauen vermittelten einen Kredit zwischen einem Autohändler und den Fahrerinnen. Präsident Abdoulaye Wade versprach vollmundig, dass innerhalb eines Jahres 2000 Taxifahrerinnen ins Transportgeschäft einsteigen würden. Die „Taxi Sisters“ wurden vom Frauenministerium gegründet. Auf die Ausschreibung bewarben sich knapp tausend Frauen mit Führerschein. Sie mussten Fahrpraxis nachweisen und eine Reihe von Prüfungen bestehen. Zehn wurden schließlich ausgewählt.
Ein Taxifunk macht telefonische Vorbestellungen möglich. Pünktlich auf die Minute rollt die „Taxi Sister“ Oumou Gueye vor das Hotel Saint-Louis Sun in der Altstadt und fragt an der Rezeption nach den Fahrgästen. Die Haare hat sie mit einem Tuch gebändigt, auf der Nase trägt sie eine große Sonnenbrille und auf den Lippen ein Hauch Rosé. Zurück im Wagen dreht sie den Schlüssel im Zündschloss und fädelt sich in den Verkehr ein. Ein Kollege versucht, sie abzudrängen. „Das ist schon viel besser geworden“, sagt die 28-Jährige lachend und schaut in den Rückspiegel. Der Anfang war hart, die Frauen wurden sogar mit Taekwondo auf brenzlige Situationen vorbereitet. „Mir ist noch nichts passiert, Inschallah.“ Trotzdem: Aus Sicherheitsgründen fahren die Frauen nur tagsüber, die Schichten enden um acht Uhr abends. Oumou Gueye kommt auf 14 Stunden täglich.
Sie biegt ab auf die Corniche, die Umgehungsstraße, die zur Islamischen Konferenz vor zwei Jahren fertiggestellt wurde. Zum Glück hat sie eine Klimaanlage, denn das rechte Fenster lässt sich nicht mehr öffnen. „Die Reparaturen sind teuer“, stöhnt sie. Ihr Gefährt, einen chinesischen Chevy, hat sie für 12.000 Euro gekauft. Die Raten stottert sie monatlich ab, drei Jahre lang. Eine Frauenorganisation, die auch von der deutschen Aktionsgemeinschaft solidarische Welt unterstützt wird, setzt sich für bessere Kreditbedingungen ein. „Von Montag bis Samstag fahre ich meine Kosten ab, der Sonntag geht in meine Kasse“, sagt Oumou Gueye.
Ihren Job mag sie trotzdem. „Ich fahre gerne Auto“, sagt sie. In gewissem Sinne kommt sie aus der Branche: Zuvor hat sie in einer Fahrschule gearbeitet – als Sekretärin. Als sie von der Frauenkooperative hörte, habe sie sich sofort beworben. Ihre Familie hat sie dabei unterstützt. „Meine Mutter hat früher in Deutschland gelebt. Sei weiß, dass Frauen alles machen können“, erklärt sie und biegt rechts ab auf die einzige Straße, die aus Dakar hinausführt. Hier kriechen vollbesetzte Busse und Autos, überladene LKWs und Mofas. Oumou Gueye lebt mit ihrer Mutter und sechs jüngeren Geschwistern am Stadtrand von Dakar. „Ich bin nicht verheiratet und habe es auch noch nicht so bald vor“, erklärt sie mit ernstem Gesicht. Ihre Mutter akzeptiere das. „Wir sind Feministinnen.“
Der Verkehr stockt, Oumou Gueye seufzt. Die „Taxi Sisters“ fahren zu Festpreisen, anders als die meisten männlichen Kollegen, bei denen jede Strecke ausgehandelt wird. Deshalb sind sie gerade bei Ausländern sehr beliebt. Doch jede Baustelle, jeder Stau geht auf ihre Kosten. Da ist es schwer, allein die Festkosten hereinzufahren. Dennoch bereut Oumou Gueye den Schritt in die Selbständigkeit nicht, würde es sogar weiter empfehlen. „Ich hoffe, dass wir noch viel mehr werden“, sagt sie schmunzelnd. Und vielleicht werden Dakars Taxifahrerinnen dann auch von den männlichen Kollegen akzeptiert.