Der Bund rechnet in den kommenden vier Jahren (2016 bis 2019) wegen einer steigenden Zahl von Asylanträgen mit 150 Millionen Franken (142 Millionen Euro) Mehrausgaben für die Unterstützung von Asylbewerbern pro Jahr. 90 Millionen (85 Millionen Euro) davon sollen jeweils dem Budget der Internationalen Zusammenarbeit entnommen werden. Es handele sich „um eine Verlagerung der Aufgabenerfüllung innerhalb der öffentlichen Entwicklungshilfe“, erklärte die Eidgenössische Finanzverwaltung. Die Hilfe für Asylbewerber wird laut den Regeln der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ebenso der staatlichen Entwicklungshilfe (ODA) zugerechnet wie die internationale Zusammenarbeit.
Bei Entwicklungshilfeexperten lassen die Pläne der Regierung dennoch die Alarmglocken läuten. „Seit die Entwicklungshilfequote auf 0,5 Prozent gesteigert worden ist, bedient sich der Bundesrat immer freigiebiger aus dem Entwicklungsbudget, um andere Staatsaufgaben zu finanzieren“, warnt Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft der sechs größten Schweizer Hilfswerke. Die Regeländerung „durch die Hintertür“ sei sachwidrig und mit den Grundlagen des Entwicklungshilfegesetzes schwer vereinbar.
Für den Bund hingegen ist die Mittelverschiebung von der Entwicklungshilfe zum Asyl unproblematisch, weil der Anteil der staatlichen Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen (BNE) das 0,5-Prozent-Ziel, das dieses Jahr erreicht werden sollte, nicht infrage stellt. 2014 lagen die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit bei 0,49 Prozent des BNE. Allerdings rechnet die Schweiz bei der Anrechnung der Asylkosten großzügig: Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern weist sie mit 15 Prozent an der gesamten ODA im Jahr 2013 und 14 Prozent im vergangenen Jahr einen der höchsten Anteile aus.
Die 90 Millionen Franken zur Hilfe für Asylbewerber sind nur ein Teil der Mittel, die der Armutsbekämpfung im Ausland entzogen werden. Hinzu kommen angesichts düsterer Finanzaussichten geplante Querschnittseinsparungen von jährlich 79 Millionen Franken bis 2018. Noch sind die Berechnungen der Regierung vorläufig, über die Höhe der Einsparungen entscheidet das Parlament.
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