2015 gilt als „entwicklungspolitisches Schicksalsjahr“: Vom G7-Gipfel in Deutschland, der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Äthiopien, der geplanten Verabschiedung von nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) in New York und dem Weltklimagipfel in Paris werden Weichenstellungen für die Zukunft erwartet. Zugleich haben sich die Anforderungen an die Entwicklungspolitik erhöht: Sie ist mehr denn je gefragt, zum Klimaschutz, zur Sicherung des Friedens, zu einem menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und zur Verteidigung der Menschenrechte beizutragen.
All dies mache einen „fundamentalen Umbruch“ der Entwicklungszusammenarbeit nötig, sagte der Abteilungsleiter Politik bei Brot für die Welt, Klaus Seitz, zum Auftakt der entwicklungspolitischen Konferenz der Kirchen und Werke. „Die alten Rezepte taugen nichts mehr“: Anstelle von einseitiger Hilfe von Nord nach Süd müsse die wechselseitige Solidarität treten.
Das unterstrich auch die stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, Imme Scholz. Neue Geber und der wachsende wirtschaftliche und politische Einfluss der Schwellenländer veränderten das Umfeld der Entwicklungszusammenarbeit zusätzlich, erklärte sie. Dies spiegele sich auch in den SDGs wider, die für alle Staaten gelten sollen. „Die ärmeren Länder werden künftig mehr und mehr selbst bestimmen, in welchen Feldern sie mit uns kooperieren wollen.“
Noch dominiere allerdings der „Nord-Süd-Transfer“; Ansätze für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit sieht Scholz bislang zu wenig. Als ein Beispiel nannte Scholz Hilfe, bei der Geld nicht für Projekte, sondern für Ziele fließt, die mit den Entwicklungspartnern ausgehandelt worden sind (results-based aid). Wichtig seien zudem globale „Lernallianzen“, etwa zur Anpassung von Sozialsystemen an eine alternde Bevölkerung, und Foren für den Wissensaustausch. Deutschland müsse seine Politik internationaler ausrichten, forderte Scholz: „Wir sind noch weit entfernt, uns als Teil der Weltgemeinschaft zu betrachten und von anderen bewerten zu lassen.“
Weit weg von einer Partnerschaft auf Augenhöhe
Und wie halten es die Kirchen mit der „Partnerschaft auf Augenhöhe“? Die stecke „erst in den Anfängen“, merkte Christoph Anders vom Evangelischen Missionswerk in Deutschland selbstkritisch an. Die „asymmetrischen Machtverhältnisse“ zwischen Gebern und Nehmern seien noch nicht überwunden. In der gegenwärtigen Diskussion über einen nachhaltigen Lebensstil hat er ein „großes Misstrauen“ bei den Partnern im Süden festgestellt. Sie fürchteten, dass ihnen damit eine Chance auf Entwicklung genommen werden solle.
Ein Vorbild für gleichberechtigte Partnerschaft könnten die Missionswerke liefern: In den Leitungsgremien der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal und der Evangelischen Mission in Solidarität in Stuttgart sind Mitgliedskirchen aus Afrika und Asien gleichberechtigt vertreten. Brot für die Welt hat eine „Global Reference Group“ von Partnern eingerichtet, die Rückmeldungen zur Arbeit des Hilfswerkes gibt und seine Gremien berät.
Doch das, so wurde bei der Konferenz deutlich, kann nur ein Anfang ein. Die Kompetenzen der Partner vor Ort und derjenigen, denen die Projekte und Programme zugute kommen sollen, würden noch viel zu wenig genutzt, hieß es von mehreren Teilnehmern.
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