Entscheidend dafür ist das organische Material im Boden, besonders der Humus. Man schätzt, dass es in bis zwei Meter Bodentiefe fast vier Mal so viel Kohlenstoff enthält wie die ganze Vegetation und dreimal mehr, als sich zurzeit in der Atmosphäre befindet. Es mag noch mehr sein, weil in Mooren, die nur etwa zwei Prozent der Landflächen bedecken, riesige, nicht genau bekannte Mengen stecken.
Kann man Kohlendioxid mit Humusaufbau der Luft entziehen? Genau das schlägt der in den USA lehrende indische Bodenwissenschaftler Rattan Lal vor. Er fordert, die Landbewirtschaftung so zu ändern, dass sie Humus aufbaut statt abbaut. Am meisten Kohlenstoff binde das, wo schon degradierte Böden wiederhergestellt werden. Wird das Potenzial weltweit ausgeschöpft, dann kann man laut Lal 50 Jahre lang Kohlendioxid aus der Atmosphäre nehmen – so viel, dass seine Konzentration dort bis 2100 um ein Achtel des gegenwärtigen Wertes sinkt. Dann allerdings wäre diese Senke voll.
Ein Charme des Vorschlags liegt im mehrfachen Nutzen: Bodenschutz dient laut Lal auch der Welternährung und der Sicherung von sauberem Wasser. Global gesehen und auf lange Frist wird das stimmen, aber im Einzelfall liegen nicht nur Win-Win-Situationen vor. Zum Beispiel hat Johan Six Fälle gefunden, in denen Bodenschutz eine Zeitlang mehr Kohlendioxid freisetzt: Ein Hang wird geschützt und behält mehr Humus, aber im Tal, wo dieser Humus vorher abgelagert wurde, wird es weniger. Außerdem kann auf dem Bauernhof Klimaschutz niedrigere Erträge bedeuten.
Lal möchte deshalb Landwirte für Klimaschutz bezahlt sehen je nachdem, wie viel Kohlenstoff ihr Boden bindet. „Da fragen Bodenkundler sofort: Wo und wann soll ich das messen?“, wendet Nicola Patzel ein. Der Humusgehalt schwankt ja mit den Jahreszeiten und auf kleinem Raum. Wenn der Landwirt seine Methode ändert, entweicht der Kohlenstoff wieder; da Äcker in der Regel jedes Jahr bearbeitet werden, kann das sehr schnell passieren. Und man kann kaum die Kohlenstoffbilanz zum obersten Kriterium in der Landwirtschaft machen. Patzel plädiert deshalb dafür, besser Subventionen für klimafreundliche Verfahren zu zahlen wie reichhaltige Fruchtfolgen.
Lals Vorschläge sind für Klimapolitiker verführerisch: Sie liefern Argumente dafür, dass Staaten sich die Kohlenstoff-Bindung im Boden auf ihre Emissionsminderungspflichten anrechnen. Schon die UN-Klimarahmenkonvention von 1992 empfiehlt, Emissionen aus der Bewirtschaftung von Äckern, Weiden und Wäldern zu bilanzieren. Die Europäische Union hat Mitte 2013 beschlossen, das zu tun. Die Daten können helfen, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu machen. Regierungen können damit aber auch im Feilschen um Emissionsrechte ihre Bilanzen schönen.
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