Strafanzeige gegen Nestlé

Nichtstaatliche Organisationen (NGO) haben Anfang März bei der Schweizer Staatsanwaltschaft in Zug eine Strafanzeige gegen den Lebensmittelkonzern Nestlé gestellt. Es soll ermittelt werden, ob führende Mitarbeiter des Konzerns mitverantwortlich sind für die Ermordung eines Gewerkschafters in Kolumbien im Jahr 2005.
Eingereicht wurde die Anzeige von der deutschen NGO European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal mit Unterstützung des katholischen Hilfswerks Misereor. Sie schafft einen Präzedenzfall. Zum ersten Mal könnte ein Schweizer Unternehmen für im Ausland begangenes Unrecht in der Schweiz strafrechtlich haftbar gemacht werden. Bei einem Workshop im kolumbianischen Bogotá hatte Misereor vor anderthalb Jahren mit seinen Partnerorganisationen über Möglichkeiten diskutiert, wie weltweit agierende Konzerne bei der Einhaltung von Menschenrechten auch mit juristischen Mitteln in die Pflicht genommen werden können. Ein Fallbeispiel war Nestlé und die Ermordung des Gewerkschafters Luciano Romero im Jahr 2005.

Autorin

Katja Dorothea Buck

ist Religionswissen- schaftlerin und Journalistin in Tübingen.

„Es war ausdrücklicher Wunsch der Partner, dass wir an dieser Sache dranbleiben“, sagt Elisabeth Strohscheidt, Referentin für Menschenrechte bei Misereor. Das Hilfswerk habe deswegen die Vorrecherchen von ECCHR finanziell unterstützt und trage nun die Anzeige mit. In Kolumbien vertritt das Solidaritätskomitee für die politischen Gefangenen die Interessen der Familie von Luciano Romero als Nebenkläger in den Verfahren.

Im September 2005 hatten Paramilitärs in Kolumbien den Gewerkschafter Luciano Romero brutal mit 50 Messerstichen getötet. Vor dem Mord hatten Nestlé-Vertreter vor Ort den Gewerkschafter mehrfach als „Guerilla-Kämpfer“ bezeichnet, was in dem jahrzehntelangen Konflikt einer Freigabe zur Ermordung gleichkommen konnte. Bei der Verurteilung der Mörder Romeros im November 2007 hatten die Richter die kolumbianische Staatsanwaltschaft aufgefordert, weitere Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes zu führen. Insbesondere die Rolle von Cirolac, der Nestlé-Tochter in Kolumbien, sollte untersucht werden. Menschenrechtler werfen dem Unternehmen vor, mit Drohungen und Repressalien gegen gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter vorgegangen zu sein.

In den vergangenen zehn Jahren wurden rund 2.500 Gewerkschafter in Kolumbien ermordet. Der gewaltsame Tod von Luciano Romero ist einer der wenigen Fälle, in denen die Täter verurteilt wurden. Die Ermittlungen gegen Cirolac in Kolumbien sind mittlerweile zum Stillstand gekommen.

Zusammen mit ECCHR fordert Misereor nun, dass die Schweizer Behörden untersuchen, inwieweit auch Mitarbeiter der Nestlé-Konzernzentrale in der Schweiz oder das Unternehmen selbst für den gewaltsamen Tod Romeros verantwortlich sind. Vorgeworfen wird ihnen das Unterlassen von Schutzvorkehrungen.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2012: China: Alles unter Kontrolle?
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