Vor dem Tor der Plantage „Herakles Farms“ hängt ein Plakat mit der Aufschrift „Wir schaffen eine nachhaltige Zukunft für Kamerun“. Die Piste, die in die Anlage führt, ist zwar nur mit einer Bambusstange abgesperrt, aber die Wachposten bleiben hart. „Besucher unerwünscht“, sagt einer, als ich um Einlass bitte. „Sie brauchen eine Genehmigung vom Management.“ Herakles ist keine gewöhnliche Farm. Vor einigen Jahren bekam das Unternehmen, das zu der New Yorker Investmentgesellschaft „Herakles Capital“ gehört, von der Regierung Kameruns die Genehmigung, inmitten des tropischen Regenwaldes im Südwesten Kameruns im großen Stil Palmöl zu pflanzen. Laut Herakles sollte hier nach und nach eine der größten Palmölplantagen in ganz Afrika entstehen.
Doch das Projekt bleibt umstritten und stößt sowohl in Kamerun wie im Ausland auf heftige Kritik. Die Einheimischen werfen dem Unternehmen Bestechung vor, die Fachleute bestreiten, dass Herakles umweltschonend arbeitet. Und es gibt Zweifel, dass das Vorhaben der Region zu den versprochenen wirtschaftlichen Segnungen verhilft. Man befürchtet vielmehr, dass die Plantage die Anwohner um ihr Land und ihren Lebensunterhalt bringt.
Im Jahr 2012 begann ich, zu dem Unternehmen zu recherchieren. Da das Management meine Anfragen nicht beantwortete, begab ich mich selbst an den Schauplatz des Geschehens. Nachdem ich am Tor zurückgewiesen worden war, beschloss ich, mir in Begleitung zweier einheimischer Aktivisten durch den Urwald Zutritt zu der Anlage zu verschaffen. Ein Jäger führte uns. Der stämmige, muskulöse Mann bahnte mit seiner Machete den Weg durchs Unterholz, und dabei zeigte er uns Bäume mit Nüssen und Früchten und viele andere essbare Pflanzen. Wir sahen Tierfährten und eine zerwühlte Stelle, die Pin-selohrschweine kurz zuvor umgegraben hatten. Unter dem Blätterdach war es feucht, dunkel und laut; wir hörten ein vielstimmiges Summen, Zirpen und Pfeifen. Im Licht, das durch das Geäst fiel, sahen wir Schmetterlinge gaukeln.
Eine riesige Lichtung mitten im Wald
Nach zwei Stunden erreichten wir schließlich das abgeholzte Gelände. Als wir aus dem Wald heraus traten, war es plötzlich ganz still. Die gerodete Fläche war staubig und trocken, riesige Baumstämme lagen aufeinander gestapelt. Ranken und trockenes Geäst hatte man mit Bulldozern zu langen Reihen zusammengeschoben, und Schwärme von schwarzen Fliegen umschwirrten das verrottende Laub.
Das war also die Plantage. Zwischen den modernden Reihen von Holzabfällen, die beim Roden angefallen waren, standen kümmerliche Palmen. Unser Führer erklärte, sie seien nicht rechtzeitig gepflanzt worden und gingen zum großen Teil ein, bevor die nächste Regenzeit einsetze. Bei diesem trostlosen Anblick fiel mir ein, was die Dorfbewohner gesagt hatten: „Der Urwald ist unser Leben.“ Doch weil ihre Regierung sich mit Herakles Farms eingelassen hat, ist dieses Leben in Gefahr.
Laut Vertragstext soll Herakles die Wirtschaftsentwicklung der Region vorantreiben. Das Unternehmen wurde von dem inzwischen verstorbenen Bruce Wrobel gegründet, der in Afrika auch in Energieunternehmen, Telekommunikation und den Rohstoffabbau investiert hatte. Er sagte, er habe sich zeitlebens für den Schutz der Umwelt und die Bekämpfung der Armut eingesetzt, und erzählte gern von dem tiefen Eindruck, den eine Afrikareise 1999 bei ihm hinterlassen hatte. Seither konzentrierte er seine Anstrengungen auf diesen Erdteil und investierte hier sein Geld, um nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen. 2009 verlieh ihm die Beratungsfirma Africa Investor eine Auszeichnung als „International Business Leader of the Year“.
Eine seiner Firmen bekam im September 2009 die Genehmigung, in Kamerun Ölpalmen zu pflanzen und eine Raffinerie zu bauen. Damit hatte Wrobel einen großen Coup gelandet: Dem Unternehmen, das keine Erfahrung mit landwirtschaftlichen Projekten hatte und noch nie in Kamerun tätig gewesen war, sollten im Südwesten 73.000 Hektar für 99 Jahre überlassen werden; das ist fast anderthalb Mal so groß wie der Bodensee. 2011 versprach Wrobel: „Wir gehen davon aus, dass wir der Hälfte der Familien in der Umgebung zu einem mittleren Einkommen verhelfen können. Wir wollen dort viel sozial verbessern.“
Doch in Wirklichkeit gab es von Anfang an Schwierigkeiten. Mehrere Regierungsbeamte sagten mir, dass Herakles sich nicht an das vorgeschriebene Verfahren für einen derartigen Landerwerb gehalten habe. Stattdessen habe die Firma den damaligen Wirtschaftsminister, Louis-Paul Motazé, hinter verschlossenen Türen dazu gebracht, einen Konzessionsvertrag zu unterzeichnen.###Seite2###
Als die Vertragsbedingungen später durchsickerten und ins Internet gestellt wurden, sorgten sie für einen Eklat. Obwohl Kamerun als korruptes Land berüchtigt ist, verblüffte dieser Deal selbst die abgebrühtesten Beobachter. Das Abkommen gestattete Herakles Farms, bereits erschlossenes Land für zunächst einen US-Dollar pro Hektar und Jahr zu nutzen, nicht erschlossene Flächen sogar für die Hälfte. Das Unternehmen bekam das Land, auf dem jährlich zweistellige Millionenbeträge erwirtschaftet werden können, also praktisch geschenkt. Außerdem wurde es von den meisten Steuern und Abgaben befreit und bekam umfangreiche Lieferungen von Wasser, Sand, Kies garantiert. Und es wurden ihm die Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionsrechten aus ungenutzten Waldflächen zugestanden.
Der Öffentlichkeit gegenüber erklärte Wrobel, die Kameruner seien „knallharte Verhandlungspartner, die genau wussten, worauf sie sich einließen“. Doch 2013 warb er in einem Informationsschreiben an potenzielle Investoren mit den Steuererleichterungen und den günstige Pachtzinsen, die er als außergewöhnlich niedrig bezeichnete.
Als der Vertrag unterzeichnet war, begannen die Herakles-Mitarbeiter, am nordöstlichen Teil der Konzessionsfläche Grenzen zu markieren. Dort liegt die Ortschaft Nguti, die wie die meisten Dörfer in der Gegend keine befestigten Straßen hat und weder ans Stromnetz noch an die Wasserversorgung angeschlossen ist. Die Bauern können deshalb nur schwer ihre Produkte verkaufen.
Als ich 2012 zum ersten Mal nach Nguti kam, traf ich mich mit Dominic Ngwesse, dem Sprecher einer lokalen Bürgerinitiative. Er führte mich in den Nachbardörfern herum, damit ich die Menschen dort nach ihrer Meinung über Herakles Farms fragen konnte. Ich erfuhr, dass es wenig Kommunikation mit dem Unternehmen gegeben hatte. Ein Mann sagte: „Die Firma hat sich nicht direkt an uns gewandt. Man hat uns einfach mitgeteilt, unser Waldgebiet sei ausgesucht worden.“ Ein anderer erzählte, zu seiner Überraschung habe er eines Tages einen Markierungspfahl in seinem Feld vorgefunden.
Bei den Bauern kam der Verdacht auf, ihr Land solle ihnen weggenommen werden. Die Landrechte in Kamerun sind kompliziert, und die meisten Einwohner stützen ihre Ansprüche auf Gewohnheitsrecht. Doch wenn das den Absichten der Regierung im Weg steht, zieht sie die Gesetzbücher heran, um das Land zu konfiszieren. Von der Plantage könnten insgesamt bis zu 15.000 Menschen aus den Dörfern von Nguti im Norden bis Mundemba am südwestlichen Ende des Konzessionsgebiets betroffen sein. Herakles hat zwar zugesichert, niemand werde von seinem Land gedrängt, aber viele bleiben skeptisch.
Die Einheimischen sind an Investitionen interessiert, doch wie sollen sie durch Plantagenarbeit zu Wohlstand kommen? In der Provinz Südwest wurden schon in der Kolonialzeit einige der größten Plantagen Kameruns angelegt, und damals wurden die Dorfbewohner von ihrem Land verjagt. Diese Plantagen mögen heute nicht mehr im Stil der Kolonialzeit betrieben werden, sie sind aber für ihre niedrigen Löhne und ihre unmenschlichen Arbeitsbedingungen berüchtigt. Der kamerunische Agrar-ökonom Bernhard Njonga vertritt die Interessen der Kleinbauern in der Region. Er sagt, wenn ein typischer Bauer hier auf vier Hektar Kakao anbaut, verdiene er viel mehr als ein Plantagenarbeiter. Die Bauern, die ihre Farmen verlieren, müssten deshalb mit deutlichen Einkommensverlusten rechnen, selbst wenn sie auf der Herakles-Plantage arbeiten können.
Auch interne Herakles-Unterlagen widerlegen Wrobels Versprechungen höherer Einkünfte. In seinem Schreiben an potenzielle Investoren wirbt Herakles damit, niedrige Löhne verschafften dem Unternehmen einen Konkurrenzvorteil. „In Malaysia werden pro Tag durchschnittlich fünf bis sechs Euro Lohn bezahlt, also fast doppelt so viel wie in Kamerun“, heißt es in dem Papier.###Seite3###
Peter Okpo wa Namolongo, der stellvertretende Bürgermeister von Mundemba, hat die anderen Dörfer im Konzessionsgebiet besucht. „Herakles hat Geld an die Leute verteilt und damit ihren Verstand umnebelt. Ich versuche ihnen klarzumachen, dass wir ruiniert sind, wenn wir unser Land weggeben“, sagt er. „Meine Aufklärungskampagne zeigt Wirkung, aber manche der traditionellen Chiefs verbreiten falsche Vorstellungen in den Dörfern, weil sie selbst privilegiert sind.“
Tatsächlich zählen manche der Chiefs und der offiziellen Vertreter der Kommunen, die sich ursprünglich gegen das Projekt ausgesprochen haben, jetzt zu den engagiertesten Befürwortern. Zu ihnen gehört auch Namolongos Chefin, die Bürgermeisterin Eli-zabeth Iselle Bekomba. Sie erklärte, sie habe sich anfangs darüber geärgert, dass Herakles einfach Tatsachen geschaffen habe, ohne sich vorher mit Vertretern der einheimischen Bevölkerung abzusprechen. Jetzt aber nicht mehr. „Ich bin von dem Projekt begeistert. Es lindert unsere Armut und schafft Arbeitsplätze für unsere Jugendlichen. Das Unternehmen will Krankenhäuser bauen. Unser Dorf wird schöner aussehen. Vielleicht werden sogar Blumen gepflanzt. Die Leute von Herakles bringen die Entwicklung voran und wir bekommen Leitungswasser. Wir brauchen Leute, die hier etwas bewegen.“
Doktor Atem Ebako ist derselben Meinung. Ebako ist Arzt und zugleich traditionelles Oberhaupt von Talangaye, einem Dorf südlich von Nguti. Herakles hat in Talangaye eine große Baumschule angelegt und baut außerdem eine Straße und Firmengebäude. Auch Doktor Ebako profitiert von Herakles, denn er baut Mietwohnungen für die Arbeiter, die später einmal in Talangaye leben werden. Deshalb sorgt er auch dafür, dass keine Herakles-Kritiker ins Dorf kommen und Unruhe verbreiten. Ein weißer Südafrikaner, der für Herakles arbeitet, hält mich auf offener Straße an und sagt, der Chief wolle hier keine Ausländer. Später sagt einer von Ebakos Leuten, niemand im Dorf dürfe ohne die Genehmigung des Chiefs mit mir sprechen.
Doktor Ebaoka weiß, wass für sein Volk das Beste ist
Als ich Ebako in seinem Büro aufsuche, bestätigt er das: Er habe es satt, sich mit Ausländern und Journalisten auseinanderzusetzen, die keine Ahnung haben, welche Vorteile Herakles seiner Gemeinde bringen werde. Ich frage, ob die Leute in seinem Dorf diese Plantage wirklich haben wollen – und er erwidert, dass ich seine Kultur nicht verstünde: „Sie sind Amerikanerin und Sie haben eine andere Form von Demokratie.“ Die Entscheidung, das Unternehmen willkommen zu heißen, habe er alleine getroffen, weil er wisse, was für sein Volk das Beste sei.
Bürgermeisterin Iselle, Doktor Ebako und die anderen Unterstützer der Plantage schwärmten in den höchsten Tönen von der Infrastruktur, die Herakles den Dörfern versprochen hat. Herakles habe bereits Stipendien verteilt, Brunnen gegraben und die Straße nach Nguti ausgebaut, sagten die Chiefs. Sie gehen davon aus, dass das Unternehmen sein segensreiches Wirken fortsetzen werde. Doch dazu ist Herakles vertraglich nicht verpflichtet. Auf dem Papier steht nichts davon, dass das Unternehmen auch nur eine einzige Klinik oder Schule bauen muss. Und ihre guten Taten hat die Firma bislang möglicherweise nicht aus Altruismus, sondern aus anderen Gründen vollbracht.
Nur wenige wussten zu dieser Zeit, dass Herakles Farms noch immer auf einen vom Präsidenten autorisierten Pachtvertrag wartete, den das Unternehmen erst im November 2013 erhielt. Schon vorher hatte Herakles erste Baumschulen eingerichtet, vermutlich in der sicheren Erwartung, dass der Präsident kein Veto gegen das Vorhaben einlegen werde. Und ich hatte selbst gesehen, dass ein großer Streifen Wald gerodet und mit Palmen bepflanzt worden war. Doch als die Proteste gegen Herakles zunahmen und die Gefahr bestand, dass der Pachtvertrag vielleicht doch nicht bewilligt würde, änderte Herakles seine Taktik.
Von Asoh Ebi Epey, einem Anwalt, der in Kamerun gerichtlich gegen Herakles vorgeht, erfuhr ich, dass das Unternehmen nun mit den einzelnen Dörfern über die Landnutzung verhandelte, um damit Druck auf den Präsidenten auszuüben. Wenn alle Dörfer auf dem Gebiet ihr Land an Herakles abträten, wie könnte der Präsident dann seine Genehmigung verweigern? Epey warf Herakles vor, die Armut der Bevölkerung auszunutzen und sie mit Almosen und sozialen Projekten dazu zu bringen, die Plantage zu akzeptieren.
Im Januar 2013 gab Herakles bekannt, das Unternehmen habe elf Tonnen Reis und zehn Tonnen Fisch an mehr als 8000 Personen verteilt, und das sei „nur eines von mehreren Hilfsprogrammen“, mit denen es die Bevölkerung im Konzessionsgebiet unterstütze. Kurz danach besuchte ich in derselben Region das Dorf Lipenja II. Unter einem Palmdach versammelten sich die Dorfbewohner zu einem Meinungsaustausch. Die Diskussion dauerte geraume Zeit und alle schienen sich einig zu sein, dass Herakles wegbleiben sollte. Dann kam eine Frau auf die Reis- und Fischspende zu sprechen. „Die Firma meint es gut“, sagte sie. „Sie wird für mehr Entwicklung sorgen.“ Jemand anderer widersprach und sagte, die Spende sei nur ein Bestechungsmanöver gewesen. Schon bald artete die friedliche Versammlung in eine laute Streiterei aus.###Seite4###
Als ich nach Mundemba zurückkehrte, sah ich einen mit Bierkisten beladenen Herakles-Pickup vor einer Bar stehen. Drinnen saß der Fahrer in Begleitung einiger Soldaten. Sein Chef treffe sich gerade mit einem Vertreter des Dorfes, sagte er, und anschließend würden sie noch ein paar andere Dörfer besuchen. Später sagte einer der Gemeindevertreter von Mundemba, Herakles solle sich gefälligst an amerikanische Verhaltensmaßstäbe halten. „Sie können doch nicht einfach hierher kommen und uns ihre Geschäftsideen aufzwingen“, sagte er. „Haben Sie das gesehen? Heute kamen sie in Begleitung bewaffneter Soldaten! So fahren sie in den Dörfern herum, mit Soldaten und Gewehren, damit sie ihr Projekt durchsetzen können.“
Seine Befürchtungen wurden von den Mitgliedern einer von der Regierung eingesetzten Untersuchungskommission geteilt, die im Februar 2013 ihren Bericht vorlegte. Darin heißt es, die Dorfgemeinden seien nicht ausreichend über die Auswirkungen des Agrarprojekts informiert worden. Sie warfen Herakles vor, die Bevölkerung eingeschüchtert und bestochen zu haben; die Firma habe Lebensmittel und Bier verteilt, um leichter zu einer Einigung zu kommen.
Die Palmölplantage bringt aber nicht nur wirtschaftliche Nachteile, sondern schädigt auch die Umwelt. Rund um die verpachtete Fläche liegen Naturschutzgebiete wie der Korup-Nationalpark mit seiner großen Artenvielfalt. Hier wachsen Hunderte verschiedene Arten von Bäumen und anderer Pflanzen, viele Wildtiere finden im Wald Unterschlupf, sogar der stark gefährdete Mandrill und der Waldelefant. Wrobel hatte stets behauptet, sein Projekt sei umweltverträglich. Im September 2012 erklärte er, das Land, das seinem Unternehmen angeboten worden sei, sei schon früher mehrfach abgeholzt und landwirtschaftlich genutzt worden und werde als Sekundärwald eingestuft. Er verwies auf ein 2011 in Auftrag gegebenes Gutachten. Darin wird festgestellt, die Vegetation auf der Konzessionsfläche sei zum großen Teil „ein Mosaik aus aktiv genutztem Farmland, Brachland, Sekundärwald und Resten von immergrünem Regenwald, der sich in unterschiedlichen Stadien des Verfalls befindet“.
Doch viele Fachleute bezweifeln diese Einschätzung. Im März 2012 brachten elf Wissenschaftler in einem offenen Brief ihre „tiefe Sorge“ über das Projekt zum Ausdruck. Einige Monate später ergab eine von der deutschen Bundesregierung und Kameruns Ministerium für Wald und Natur geförderte Studie, dass das Konzessionsgebiet zu etwa 88 Prozent von Wald bedeckt ist; die übrigen zwölf Prozent sind Dörfer, Felder und landwirtschaftlich genutzte Waldflächen. 2013 untersuchte die kamerunische Dschang University gemeinsam mit der Universität Göttingen das Gebiet und fand 23 Arten größerer Säugetiere. Diese Studie war viel umfangreicher als das Gutachten von 2011 und sie registrierte eine bisher unbekannte Spezies Fisch, Schlafplätze von Schimpansen, Futterplätze von Mandrills und Elefantenfährten.
Vor Ort sagten mir sowohl Unterstützer wie Gegner des Projekts, für das Projekt müsse viel Wald gerodet werden. Sie waren sich nur nicht darüber einig, ob das als Segen oder als Fluch zu betrachten sei. Chief Ebako etwa meinte, ohne Abholzung könne es keine wirtschaftliche Entwicklung geben: „Wir haben uns für die Landwirtschaft entschieden, und deshalb müssen die Bäume weg.“ Andere Unterstützer sagten, etwas weniger Destruktives als eine riesige Plantage wäre ihnen lieber gewesen, doch sie seien auf jede Investition angewiesen, die sie bekommen könnten. Eben Nkongho, der Chief des Dorfes Manyemen, sagte, es bereite ihm Unbehagen, den Wald wegzugeben, aber „wo eine gute Straße hinführt, gibt es auch Entwicklung“.
Der Selbstmord des Firmengründer
Am 25. November 2013, vier Jahre nach dem Abschluss des ersten Nutzungsabkommens, bewilligte Kameruns Präsident Paul Biya den Pachtvertrag mit Herakles Farms. Allerdings wurde die Landfläche von den vorgesehenen 73.000 Hektar auf knapp 20.000 Hektar reduziert, und statt der 99 Jahre wurde eine vorläufig auf drei Jahre beschränkte Pacht genehmigt; der Pachtzins wurde von einem Dollar pro Hektar auf sechs Dollar erhöht. Die einheimischen Experten bemängeln, dass diese Verfügungen das Unternehmen nicht daran hindern können, zusätzliche Landflächen zu erwerben oder sich später einen Pachtvertrag über 99 Jahre zu sichern. Auch andere kontroverse Aspekte wie die Gewährung von Emissionsrechten bleiben unberührt.
Und doch: In der Praxis scheint das Projekt vorerst auf Grund gelaufen zu sein. Im Dezember 2013 beging Bruce Wrobel Selbstmord. Ein ausführlicher Bericht über seinen Tod nannte mehrere Faktoren, die ihn dazu gebracht haben könnten, sich das Leben zu nehmen, darunter auch die ungünstige Entwicklung des Herakles-Projekts. Im Mai dieses Jahres beschuldigte die Umweltorganisation Greenpeace Herakles Farms in einer Studie, das Unternehmen habe widerrechtlich Holz verkauft, das bei der Rodung des Geländes angefallen war, die ich ein Jahr zuvor besucht hatte. Im Sommer sagte mir Malle Adolf Nganya, einer der einheimischen Anwälte, die gerichtlich gegen Herakles vorgehen, dass keine neuen Anpflanzungen mehr vorgenommen würden. „In Mundemba verkauft die Firma ihre Jungpflanzen schon an einzelne private Käufer.“
Doch es geht nicht allein um Herakles. Im kamerunischen Landwirtschaftsministerium sagte mir die technische Beraterin Andrée Caroline Mebande Bate, sie wisse, dass andere Unternehmen insgesamt etwa zwei Millionen Hektar pachten wollten und entsprechende Anträge gestellt hätten. Das ist eine Fläche so groß wie Hessen. „Sollen wir das ganze Land in eine Ölpalmenplantage umwandeln?”, fragte sie. „Entspricht es den Bedürfnissen der Kameruner, wenn die Palmölproduktion vorangetrieben wird, oder kommen diese Unternehmen nur hierher, um viel Geld zu verdienen und unsere Bevölkerung noch ärmer zu machen?“
2012 wurden vor dem Besuch eines hohen Regierungsbeamten in der Umgebung von Nguti T-Shirts mit Anti-Herakles-Parolen bedruckt. Ajang Akepe Samuel, der Chief des Dorfes Ntale, sagte, dies sei die einzige Art gewesen, wie sie ihre Ablehnung des Projekts hätten deutlich machen können. In der Vergangenheit kämpfte Ajang für die Unabhängigkeit Kameruns und verbrachte sieben Jahre im Gefängnis. Jetzt kämpft er gegen den Landraub. „Sie wollen Plantagensklaven aus uns machen. Aber wir kämpfen bis zum letzten Atemzug“, erklärte er. „Und wenn die Gesetze nicht ausreichen, um sie aufzuhalten, werden wir zu unseren traditionellen Mitteln greifen.“
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