Freihandel und neoliberale Positionen sind in Österreich alles andere als mehrheitsfähig. Und das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP), das den Warenaustausch mit den USA weiter liberalisieren und die Interessen von Investoren besser schützen soll, wird allgemein mit dem „Chlorhuhn“ assoziiert. Geflügel, das im Chlorbad keimfrei gemacht wird, solle nicht in Österreichs Kochtöpfen landen, versprachen Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) unisono. Die heimischen Qualitätsstandards würden auf keinen Fall geopfert. Sonst hält sich die Politik zu dem Abkommen, das weitgehend geheim zwischen Vertretern der EU und der USA ausgehandelt wird, allerdings eher bedeckt.
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat zur Unterstützung einer europaweiten Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA (das fast fertige Parallelabkommen mit Kanada) aufgerufen. Der europäische Aktionstag am 11. Oktober brachte in Österreich Tausende auf die Straße. Kritisiert wird vor allem das geplante Investitionsschutzabkommen: Es würde Unternehmen erlauben, die beteiligten Staaten vor ein internationales Schiedsgericht zu bringen, wenn sie ihre Profiterwartungen von konsumenten- oder umweltfreundlichen Gesetzen bedroht sehen.
Dass die EU-Kommission jetzt das bis dahin geheime Verhandlungsmandat öffentlich gemacht hat, verbucht Attac als Erfolg seiner Kampagne. „Nun ist es an der Zeit, alle TTIP-Verhandlungsdokumente zugänglich zu machen. Das ist die Voraussetzung, um einen demokratischen Prozess mit breiter Beteiligung der Öffentlichkeit zu gewährleisten“, erklärte Alexandra Strickner von Attac Österreich.
Die „Neue Kronen Zeitung“ macht Stimmung gegen TTIP
Strikt gegen das Abkommen sind derzeit nur die Grünen. Mehr Vor- als Nachteile sehen die konservative ÖVP und das Team Stronach des austrokanadischen Milliardärs Frank Stronach. Zurückhaltend äußern sich Sozialdemokraten und die FPÖ. Selbst die NEOS, die erst seit einem Jahr im Parlament vertretene junge liberale Partei, sind vorsichtiger geworden. Wer sich zugunsten des TTIP aus der Deckung wagt, muss auch mit der Schelte des auflagenstarken Boulevardblatts „Neue Kronen Zeitung“ rechnen, das seit Monaten eine Kampagne gegen das Chlorhuhn fährt.
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, per Funktion ein Befürworter des Freihandels, sieht sich in der Defensive: „Ängste schüren dient nicht der Sache. Chlorhühner mögen abschreckend wirken, stehen aber gar nicht zur Diskussion.“ Bedenken gegenüber internationalen Schiedsinstanzen hat er aber auch. Rechtsstreitigkeiten sollten „nicht nur nach dem anglo-amerikanischen Recht, sondern auch nach dem europäischen Recht“ verhandelt werden, meint er.
Auf Skepsis stieß auch EU-Chefverhandler Ignacio García Bercero bei einem Besuch Anfang Oktober im österreichischen Parlament. Er begrüßte das Nachdenken über den Investorenschutz und versicherte, bei den Standards werde die EU keinerlei Kompromisse zulassen. Das Thema Investorenschutz werde derzeit nicht behandelt. Es gebe hier eine Verhandlungspause, um die Auswertung eines Konsultationsprozesses abzuwarten. An der Online-Befragung hatten von April bis Juli europaweit über 150.000 Menschen teilgenommen. Bei den Standards werde die EU keine Kompromisse zulassen, versicherte Bercero.
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