In der Bilanz der Flüchtlings- und Katastrophenhilfe der vergangenen Jahre sind drei Dinge deutlich geworden: Werden die Kenntnisse Einheimischer über kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge vernachlässigt, bleibt das Ergebnis meist unbefriedigend. Zugleich steigt der Bedarf an Nothilfe durch die wachsende Zahl von Konflikten und durch wiederkehrende Naturkatastrophen. Und: Immer mehr Entwicklungsorganisationen sehen darin ein durchaus lukratives Geschäftsfeld und schließen sich dem Reigen großer internationaler Hilfswerke an.
Will man das System erfolgreich reformieren, müssen die Ursachen der Ineffizienz angegangen werden, fordert die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Für sie heißt das, die Schieflage zugunsten der internationalen Organisationen und Hilfswerke abbauen und die Rolle lokaler Kräfte zu stärken. Das Anliegen gehöre auf die Agenda des Humanitären Weltgipfel 2016. Das Gipfelsekretariat zeigt sich dafür offen, wie auch das UN-Flüchtlingswerk: „Wir brauchen weniger organisatorische Schichten und mehr Fokus auf Betroffene, die uns führen sollten“, sagte Fatima Sherif-Nor aus Genf.
Einheimische Kräfte – das sind neben nichtstaatlichen Organisationen auch Umwelt- oder Frauengruppen und Aktivistennetze. Wenn schnell gehandelt werden muss, um möglichst viele Leben zu retten, bleibt internationalen Organisationen für Koordination selbst mit lokalen Amtsträgern oft keine Zeit. Damit das keine Ausrede bleibt, mit der ausländische Helfer ihr eigenmächtiges Vorgehen rechtfertigen, plädierten Aktivisten bei dem Treffen der Diakonie Katastrophenhilfe dafür, vorbeugend strategische Partnerschaften zu schmieden oder zu stärken, wo extreme Naturereignisse wahrscheinlich sind und Konflikte schwelen.
Neutral zu bleiben ist nicht immer einfach
„Antizipieren statt reagieren“, heißt das für Sushant Agrawal von der indischen Organisation Casa, einem Mitglied des Diakonie-Partnernetzwerks ACT Alliance. So habe Casa seit dem verheerenden Zyklon im Bundesstaat Orissa 1999 die Widerstandskraft der Infrastruktur in der Region verbessert. Der letzte Hurrikan habe so weit weniger Opfer gefordert. Die Stimme erheben, sich Gehör verschaffen und vernetzen, das sind seine Rezepte, um heimische Organisationen und Initiativen zu stärken – so dass sie nicht bloß als ausführende Organe internationaler Helfer dienen, sondern sich auf Augenhöhe einbringen können.
Bleibt das Problem autoritärer Regierungen, die starke, mit dem Ausland vernetzte Organisationen im Land gar nicht wünschen. Neutral sein und keine Partei ergreifen, das wird für Nothelfer dann schwierig. Bei schwierigen politischen Verhältnissen wie in Haiti, das praktisch von NGOs regiert wird, empfahl Cantave Saint Louis vom haitianischen ACDED-Netzwerk daher, den Dialog am untersten Ende der Verwaltungsstrukturen, an der Basis, zu suchen.
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