Der Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen (VEN) will frischen Wind in das Eine-Welt-Engagement bringen. Dafür soll die Idee vom „globalen Weltbürgertum“ sorgen.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte 2012 eine neue Bildung für den Weltbürger von morgen gefordert: Frauen und Männer im Norden sollten sich dort, wo sie leben, für Veränderungen einsetzen – und sich nicht in erster Linie für den Süden engagieren. Im November 2013 diskutierten Vertreter der Global-Citizens-Bewegung im südafrikanischen Johannesburg zum ersten Mal darüber, was die Eine-Welt-Bewegung bisher erreicht hat. Ein Großteil der Debatten drehte sich um die Frage, was Entwicklung gegenwärtig bedeuten kann.
Die Welt ist komplexer geworden, das klassische Schema vom reichen Norden und dem armen Süden muss differenziert werden. Zwar besteht zwischen beiden noch immer ein Machtgefälle. Aber manche Länder im Süden und im Osten haben wirtschaftlich aufgeholt und bringen ihre Sichtweisen selbstbewusster ein. Menschen mit Migrationshintergrund stellen in Europa die Gewissheiten der entwicklungspolitischen Szene in Frage und kritisieren Denkmuster, die aus ihrer Sicht in kolonialen Vorstellungen verhaftet sind.
„Wir wollen, dass mehr Impulse aus anderen Ländern bei uns einfließen“, sagt Christian Cray vom VEN, der die Idee vom „globalen Weltbürger“ für die Bildungsarbeit in Deutschland aufgegriffen hat. Dazu gehören für ihn auch Alternativen zu dem auf Wachstum basierenden Wirtschaftsmodell. Eines davon ist das Konzept des Buen vivir („Gutes Leben“) aus Lateinamerika, das herrschende Entwicklungsmodelle kritisiert. Es beruht auf den Lebenskonzepten indigener Gemeinschaften.
Indigene Modelle für einen „post-materiellen Lebensstil“
Ein genügsames Leben in Gemeinschaft und in Verbundenheit mit der Natur hat in Lateinamerika eine lange Tradition. Den Erfolg einer Wirtschaft messen diese indigenen Gemeinschaften nicht mit rein materiellen Wachstumsindikatoren – auch wenn es in der Realität nicht immer so ideal zugeht. „Natürlich kann man das Modell nicht einfach auf Deutschland übertragen“, meint Christian Cray. Aber es liefere Argumente für einen „post-materiellen Lebens- und Konsumstil“.
Das führt mitten in die Debatte über die Entwicklungsziele nach 2015. Im nächsten Jahr laufen die von den Vereinten Nationen verkündeten Ziele für eine Reduzierung von Armut und Hunger aus. Die UNESCO hat für die Post-2015-Ära Global-Citizenship-Education als Lernmodell vorgeschlagen. Die Bildungsziele sollen mit in den verbindlichen nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen verankert werden. Doch was ist daran neu im Vergleich zum Globalen Lernen und der Bildung für nachhaltige Entwicklung?
Die Meinungen darüber gehen auseinander. Hannes Siege, Bildungsexperte bei Engagement Global, sieht das neue Konzept inhaltlich noch zu wenig unterfüttert, um es abschließend zu beurteilen. Er hält es eher für ein „Neuarrangement alter Inhalte“. Für Christian Cray vom Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen orientiert sich Global-Citizenship-Education konsequenter an den notwendigen Veränderungen in den Industrieländern als das Globale Lernen. Entwicklungspolitisches Engagement dürfe nicht mehr bedeuten „reicher Norden hilft armem Süden“, betont er. Diese Vorstellung sei aber auch in Teilen der Eine-Welt-Bewegung noch vertreten.
Mit dem Konzept des Buen vivir will Cray kein „indigenes Idyll“ verklären, das so nicht existiere. Es geht ihm um „Bilder, die berühren“ und deshalb zum Nachdenken über ein neues Umweltverständnis und neue Formen des Zusammenlebens anregen. Der VEN erhofft sich von den Impulsen aus der Global-Citizens-Bewegung aber auch noch etwas anderes: Sie sollen helfen, jüngere Menschen für die Eine-Welt-Bewegung zu begeistern. Der VEN hat das Projekt „Utopista“ ins Leben gerufen, um mit jungen Menschen über Konsumstile und Ressourcenverschwendung ins Gespräch zu kommen.
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