Der Lobbyismus von Unternehmen hat in den Vereinigten Staaten und in der Europäischen Union einen schlechten Ruf – und das aus gutem Grund. Konzernen und Wirtschaftsverbänden gelingt es meistens, bei politischen Entscheidungen ihre Interessen durchsetzen. Da Geschäftsinteressen denen von Menschenrechtsaktivisten, Umweltgruppen und Verbraucherschützern häufig zuwiderlaufen, entsteht oft der Eindruck, Unternehmenslobbyismus und der „Kampf für die gute Sache“ seien unvereinbar.
In den USA und in Europa fordern Bürger und Politiker, Lobbyisten sollten stärker kontrolliert und wirtschaftliche Interessen von politischen Entscheidungen getrennt werden. Völlig anders sieht es in Schwellen- und Entwicklungsländern aus. Hier rufen viele nach einer stärkeren Unternehmenslobby. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zwar betätigen sich auch große multinationale Konzerne (etwa aus der Rohstoffindustrie) in armen Ländern als Lobbyisten und werden dafür zu Recht von Menschenrechtsaktivisten kritisiert. Doch meist berührt Unternehmenslobbyismus in den Schwellenländern die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen – und die sorgen für Wachstum und Beschäftigung.
Autorin
Christine Mahoney
ist Professorin für Politik und öffentliche Ordnung an der University of Virginia. Sie ist Autorin des Buches „Brussels versus the Beltway: Advocacy in the US and the EU” (Georgetown University Press, 2008).Wie in jedem demokratischen System kennen Unternehmer und die Inhaber von kleinen und mittleren Betrieben ihre Branche in- und auswendig. Sie wissen, wie die Regierung mit ihren Eingriffen in die Wirtschaft Wachstum fördern oder behindern kann. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmer für die politische Entscheidungsfindung gehört werden, um günstigere Rahmenbedingungen zu schaffen.
Bürokratie und Korruption stehen der Gründung neuer Unternehmen und damit dem Wirtschaftswachstum im Wege; hier kann Lobbyismus helfen, ein unternehmensfreundlicheres Umfeld zu schaffen. Überall auf der Welt ist es schwierig, eine Firma zu gründen: Man braucht Startkapital, Kenntnisse über die Branche und die Fähigkeit, etwas in Bewegung zu setzen. Unternehmensgründer sind zum Scheitern verurteilt, wenn ihnen staatliche Vorschriften noch zusätzliche Hindernisse aufbürden und sie von korrupten Beamten ausgenommen werden.
Die Weltbank misst in ihrem jährlichem Bericht „Doing Business“, welche Hürden Unternehmer in verschiedenen Ländern überwinden müssen, wenn sie ein Geschäft starten wollen. Um einen Betrieb registrieren zu lassen, muss ein Unternehmer in Gabun sechs bürokratische Verfahren durchlaufen, die mehr als hundert Tage dauern können; in Bangladesch sind es sogar acht Verfahren, die sich bis zu 245 Tage hinziehen können. Ein solches Umfeld ist für Entwicklung und Wachstum sicher nicht förderlich.
Viele Regierungen haben das erkannt und arbeiten daran, die Bedingungen zu verbessern. Ruanda etwa hat die Zeit verkürzt, in der Unternehmer ihre Betriebe registrieren können, Baugenehmigungen und Eigentumsübertragungen werden schneller erteilt und Unternehmenssteuern können leichter bezahlt werden, indem Steuererklärungen elektronisch abgegeben werden können. Stolz weist die Regierung darauf schon am Flughafen hin. In Ghana kann ein Unternehmer sein Start-up mit Hilfe eines elektronischen Erfassungssystems innerhalb von 24 Stunden registrieren lassen.
Auch Gründerzentren sind hilfreich für junge Unternehmen
Wenn sich Unternehmer in den Entwicklungsländern organisieren, erhalten kleine und mittlere Unternehmen eine wichtige Plattform – so wie in den Industrie- und Handelskammern in den USA und Europa –, über die Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt werden können. Die Mitglieder von Unternehmerverbänden haben eine stärkere Stimme, um unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen einzufordern. Und sie bekommen die Chance, bewährte Vorgehensweisen auszutauschen, Netzwerke aufzubauen und sich gegenseitig bei der Weiterentwicklung ihrer Firmen zu helfen.
Viele bi- und multilaterale Hilfsorganisationen unterstützen das. Sie helfen damit Strukturen zur Wirtschaftsförderung aufzubauen, die sich in den USA und Europa über Jahrzehnte hinweg entwickelt haben. Das heißt, die Geschäftsleute und Kleinunternehmer können sich viel früher als in den alten Industrieländern gegenseitig unterstützen und müssen nicht darauf warten, dass Einrichtungen wie etwa eine Industrie- und Handelskammer auf natürlichem Wege heranwachsen.
Unterstützung zur Gründung von Unternehmerverbänden kann sich etwa darauf beziehen, welche Leistungen man den Mitgliedern anbieten will (Netzwerktreffen, Seminare und Fortbildungen, Zugang zu Kontaktdaten und Adresslisten), um so die Zahlung von Mitgliedsbeträgen attraktiv zu machen und dauerhafte, nachhaltige Organisationsstrukturen zu schaffen.
Hilfreich für junge Unternehmen sind außerdem Gründerzentren, Förderprogramme und sogenannte Co-Working-Spaces, in denen Betriebe gemeinsam angesiedelt werden. Diese „Startrampen“ bringen junge Unternehmer zusammen und bieten die Möglichkeit zum Austausch von Ideen und Fachwissen und zur Kontaktpflege.
Überdies werden Räume, Strom und Internetanschlüsse bereitgestellt. Weiterbildungen und Workshops werden dort ebenso angeboten wie Netzwerktreffen. Beispiel sind Hub Accra in Ghana oder Impact HUB in Johannesburg, Südafrika.
Während immer mehr von diesen innovativen Zentren entstehen, die ähnlich aussehen und funktionieren wie die Gründerzentren in den USA und in Europa, mangelt es immer noch an einem: Zugang zu Startkapital. Angesichts des großen Erfolgs des Mikrofinanzgeschäftes sollten bilaterale und multilaterale Geber vielleicht auch einmal darüber nachdenken, mittelgroße Beträge als Startkapital für Unternehmen in der Gründungsphase bereitzustellen.
Die Unterstützung von Geschäftsleuten und Kleinunternehmern in Entwicklungs- und Schwellenländern – durch Anleitung zur Lobbyarbeit und Fortbildungen – ist ein wichtiger Beitrag, um gesunde und florierende Volkswirtschaften in den Schwellenländern zu fördern, die wiederum Reichtum und Ressourcen mehren.
Zugleich gilt es, wachsam zu bleiben und sicherzustellen, dass die Förderung der Lobbyaktivitäten darauf abzielt, dass Unternehmer einen Mehrwert für ihre Gesellschaften schaffen und nicht den gesetzlichen Schutz der Bürger demontieren – genauso wie in den USA und Europa.
Aus dem Englischen von Barbara Kochhan.
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