Das Engagement für den Klimaschutz treibt zuweilen sonderbare Blüten. Zum Beispiel in Gestalt einer neuen Studie der Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Titel „Carbon Majors Funding Loss and Damage“. Darin plädieren die beiden Autorinnen, man solle große Energieversorger, die ihr Geld unter anderem mit Kohle, Gas und Öl verdienen, sowie Firmen aus energieintensiven Branchen wie der Zementherstellung für ihren Beitrag zur Erderwärmung haftbar machen und zur Kasse bitten. Als Grundlage für einen solchen Schritt könnten internationale Vereinbarungen dienen, die regeln, wer bei einer Ölpest oder einer Atomkatastrophe zahlen muss.
Autor
Das Streben nach Wohlstand ist bei vielen Vorkämpfern verpönt
Diese Art Weltfremdheit ist symptomatisch für eine besonders rigorose Variante des Umwelt- und Klimaschutzes. In dieser Variante kommt der Mensch, der Energie braucht und verbraucht, nicht mehr vor. Stattdessen wird „die Industrie“ an den Pranger gestellt und so getan, als sei die Förderung von Öl, Kohle und Gas reiner Selbstzweck, als gehe es dabei nur um Profit.
Diese Sorte Klimaschutz begnügt sich damit, in Studien und auf Konferenzen abstrakte CO2-Bilanzen zu erstellen und Minderungsziele zu fordern – in der Regel ohne darauf zu achten, ob das mit dem Streben nach Wohlstand und der Idee von einem guten Leben von Milliarden Menschen in reichen und in armen Ländern vereinbar ist.
Das Streben nach Wohlstand ist bei vielen Vorkämpfern des Klimaschutzes ohnehin verpönt. Wenn sie sich ausnahmsweise doch einmal mit dem Menschen beschäftigen, dann mit dem westlichen Konsumfetischisten, der auf Kosten der Armen in den Entwicklungsländern im Überfluss lebt und gedankenlos Dinge kauft, die er nicht braucht.
In Deutschland ist das öffentliche Interesse am Klimawandel laut Umfragen deutlich gesunken, und eine Ursache dafür ist dieser anklagende Ton in der Klimadebatte. Er lässt den Bürger ratlos mit der Gewissheit zurück, dass sein ganz normales Leben aus der Perspektive globaler Gerechtigkeit eine Zumutung ist: So sehr er sich auch anstrengt, im Rahmen seiner Möglichkeiten umweltbewusst zu leben, im Vergleich mit dem durchschnittlichen Afrikaner oder Südasiaten hat er sein CO2-Guthaben längst aufgezehrt und dürfte eigentlich gar keine Energie mehr verbrauchen, sofern sie nicht aus erneuerbaren Quellen stammt.
Die Politik muss die Rahmenbedingungen für Klimaschutz setzen, aber in einer Demokratie muss die Gesellschaft die Politik mittragen. Wer Klimaschutz will, muss sich deshalb um die „hearts and minds“ der Bürger bemühen. Ralf Fücks, der Chef der Böll-Stiftung, hat Recht, wenn er in seinem Buch „Intelligent wachsen“ schreibt, dass das nicht gelingt, wenn man den Leuten Verzicht predigt.
Mit anderen Worten: Ein Klimaschutzprogramm, das den Leuten den Wohlstand nimmt, den sie sich erarbeitet haben oder noch erarbeiten wollen, funktioniert nicht – weder in den alten noch in den neuen, aufstrebenden Industrieländern.
Gefordert ist kein Rückbau, sondern ein Umbau der Industriegesellschaften
Gefordert ist deshalb nicht ein Rückbau, sondern ein Umbau der Industriegesellschaften. Und da hat sich bereits eine Menge getan. Der Anteil der erneuerbaren Energien weltweit lag im vergangenen Jahr bei knapp einem Fünftel, die Produktion von Solarenergie ist in den vergangenen zehn Jahren von vier auf 139 Gigawatt um mehr als das Dreißigfache gestiegen, die von Windkraft seit dem Jahr 2000 um fast das Zwanzigfache. Das sind Riesenschritte in die richtige Richtung.
Aber wahrscheinlich ist das trotzdem nicht genug, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Alles vergebens also? Natürlich nicht. Der Wirtschaftsautor Wolf Lotter schrieb vor zwei Jahren im Magazin „brand eins“ zum Thema Kapitalismus: „Menschen tun, was sie tun, weil es klappt, weil sie damit durchkommen, weil es geht. Wir tun, was wir können.“ Genau das ist unser Problem. Aber auch unsere Chance.
Neuen Kommentar hinzufügen