Der Umgang mit der Nahrungsmittelspekulation ist unter Schweizer Politikern umstritten. Eine Initiative der Jungsozialisten will die Spekulation verbieten, während ein Gesetzesvorschlag der Regierung zurückhaltend ausfällt.
Ein neuer Bericht von Alliance Sud liefert die Grundlage für die Diskussion. Das Papier „Nahrungsmittelspekulation – (k)ein Problem?“ zeigt, dass die Schweiz dem Ausland in dieser Frage hinterher hinkt. Sowohl die USA als auch die EU haben Gesetze ausgearbeitet, die den Derivatehandel neu regulieren – allerdings haben Branchenlobbyisten gegen einzelne Bestimmungen Einspruch erhoben.
Die Schweizer Regierung und Wirtschaftskreise begegnen der Kritik an der Spekulation mit dem Argument, es sei wissenschaftlich nicht erwiesen, dass sie Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln verursache. Hauptursachen seien vielmehr realwirtschaftliche Einflüsse wie eine gestiegene Nachfrage der Schwellenländer und ein zu kleines Angebot. Dem hält der Bericht von Alliance Sud entgegen, dass die empirischen Studien kein einheitliches Bild ergäben. Doch selbst Untersuchungen, nach denen die stark gestiegenen Investitionen in Rohstoffderivate nicht generell zu steigenden Preisen führen, zeigten, dass das in einzelnen Fällen sein kann. Der aktuelle Forschungsstand sei „tendenziell spekulationskritisch“.
Nur Verträge zur Absicherung sollen erlaubt bleiben
Zudem könnten die am stärksten von extrem steigenden Preisen betroffenen Menschen nicht bis zum „definitiven“ Urteil der Wissenschaft warten, schreibt Alliance Sud, die entwicklungspolitische Lobbyorganisation sechs großer Schweizer Hilfswerke. Es müsse alles getan werden, um die Risiken extremer Preisveränderungen klein zu halten. Das spreche nicht gegen die traditionelle Spekulation, die der Preisabsicherung im Rohstoffhandel diene. Die Rohstoffbörsen müssten aber stärker reguliert werden.
In diese Richtung stößt die Ende März von den Jungsozialisten eingereichte Initiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“. Die Initianten wollen Investitionen in Finanzinstrumente verbieten, die sich auf Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel beziehen. Zugelassen werden sollen nur noch Verträge zwischen Produzenten und Händlern von Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln über die terminliche und preisliche Absicherung bestimmter Liefermengen. Der Handel mit Nahrungsmitteln müsse wieder seinen eigentlichen Zweck erfüllen: die Ernährung zu sichern.
Unterstützung erhalten die Jusos von der SP und den Grünen. Auch Hilfswerke wie Swissaid und Solidar Suisse schließen sich den Forderungen an. Gleicher Meinung sind zudem die kirchlichen Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer: Sie fordern in einer Kampagne die Banken auf, nicht mehr mit lebenswichtigen Grundnahrungsmitteln zu spekulieren.
Die Regierung setzt auf Selbstregulierung
Der Bundesrat ist besorgt darüber, dass die Schweiz den Marktzugang zum EU-Raum verlieren könnte, und will dem Parlament deshalb noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Regulierung des Derivatehandels vorlegen, das auch die Nahrungsmittelspekulation betrifft. Zwar schlägt die Regierung „eine möglichst EU-konforme Regulierung“ vor, doch möchte sie im Gegensatz zur EU das Prinzip der Selbstregulierung bewahren.
Angesichts der Position des Bundesrates liege es am Parlament, Regeln in den Gesetzesentwurf einzuarbeiten, welche die Spekulation mit Nahrungsmitteln unterbinden, schreibt Alliance Sud. Die Juso-Initiative macht entsprechenden Druck: Zur Abstimmung gelangen könnte sie 2016.
Kathrin Ammann
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