Mitte Februar sickerte ein Bericht der Vereinten Nationen durch, nach dem Waffen der somalischen Regierung „systematisch“ weitergegeben werden. Trotzdem hat der UN-Sicherheitsrat Anfang März die seit einem Jahr gültige Lockerung des Waffenembargos verlängert. Das bedeutet, dass die Regierung Somalias leichte Waffen einführen darf, um in den von ihr kontrollierten Gebieten für Sicherheit zu sorgen. Das ist prinzipiell keine schlechte Sache. Allerdings nur auf den ersten Blick.
Somalias Armee formierte sich 2004 unter der damaligen Übergangsregierung (Transitional Federal Government, TFG). Die ersten Verbände bestanden aus Soldaten, die noch unter dem Diktator Siad Barre gedient hatten, Kämpfern aus Puntland und einigen Clan-Milizen. Nach dem Einzug der TFG in Mogadischu im Schatten der äthiopischen Besatzung 2007 schlossen sich rabiate Milizen der lokalen Warlords den Streitkräften und der Polizei an. Wie so oft ging es den Clans dabei auch um den Schutz ihrer eigenen Interessen.
Die meisten Clan-Milizen im Zentrum des Landes hingegen lehnten sich gegen die äthiopische Besatzung auf und traten vorerst nicht der TFG-Armee bei. Das änderte sich mit dem Abzug der äthiopischen Truppen im Januar 2009. Nun hatte ein großer Teil aller Clans des südlichen Somalias Kämpfer in der Armee der Übergangsregierung. Und genau da liegt das Problem: Kleine und schlecht bewaffnete Clans waren kaum vertreten, weil zu Beginn jeder sein eigenes Gewehr mitbringen musste, um den Streitkräften beizutreten. Die Lücke füllte die islamistische Al-Shabaab, die jene Clans aufrüstete, die von der damaligen Übergangsregierung übergangen wurden.
Die Armee kämpft gegen lokale Schießtrupps der Bantu
Die Spannungen zwischen den Clans nahmen zu, je mehr Regionen unter die Kontrolle der Übergangsregierung fielen. Mitte 2013 entbrannten südlich von Mogadischu heftige Kämpfe, bei denen die dritte Brigade der Armee von lokalen Clans und Überläufern aus den eigenen Reihen zurückgeschlagen wurde. Ebenso nordöstlich der Hauptstadt in der Provinz Middle Shabelle: Dort kämpft die Armee seit mehr als einem Jahr gegen lokale Schießtrupps der Bantu. Gerüchten zufolge hat die Armee dabei schreckliche Gräueltaten begangen. Auch wenn das bislang nicht bestätigt werden kann, meiden Reisende den Kontakt mit dem Militär in dem umkämpften Gebiet – aus Angst, vergewaltigt oder ausgeraubt zu werden.
Die Loyalität gegenüber ihren Clans ist für die Soldaten der somalischen Streitkräfte heute wichtiger als ihre nationale Identität. Bevor das nicht behoben wird und die Clan-Milizen entwaffnet werden, schürt die militärische Aufrüstung den Krieg zwischen den Clans.
Seit Jahren versuchen die verschiedenen Übergangsregierungen in Somalia Clan-Milizen und Warlords zu besänftigen, indem sie militärische Posten verteilen. Das Ergebnis ist eine Armee voller schlecht ausgebildeter Führungskräfte auf allen Ebenen. Diese unfähigen Offiziere „führen“ Somalias Streitkräfte von Niederlage zu Niederlage – es ist eine Tatsache, dass sie noch immer nicht in der Lage sind, Angriffe gegen die Al-Shabaab zu planen und auszuführen. Vorneweg marschiert immer die afrikanische Schutztruppe in Somalia (AMISOM).
In Mogadischu blüht der Schwarzmarkthandel
Aber damit nicht genug: Diese Führungskräfte verantworten die größte Selbstsabotage, die sich eine Armee in jüngster Zeit geleistet hat: den Verkauf von Waffen an Händler, die sie ihrerseits unter anderem an Al-Shabaab weiterverkaufen, also den derzeit größten Feind.
Die somalische Regierung ist zu schwach und zu chaotisch, das Problem zu lösen. Offiziell ist der Handel mit Waffen verboten, in Mogadischu blüht er jedoch auf dem Schwarzmarkt. Dort kann man von Pistolen, über Gewehre bis hin zu Handgranaten alles kaufen. Laut gut informierten Quellen verscherbeln von der Regierung hochgerüstete Clan-Milizen sogar großkalibrige Flugabwehrgeschütze für bis zu Hunderttausend Dollar das Stück. Nach dem Kauf kann man die Ware direkt testen lassen – von Polizisten oder Soldaten, die als einzige in Mogadischu Waffen tragen und schießen dürfen.
Paradoxerweise übernehmen Regierungsbeamte die Registrierung neu erworbener Waffen, während der Erwerb selbst verboten ist. Ein weiterer Umstand, der den Schwarzmarkt am Leben hält.
So lange Regierungstruppen Waffen illegal weiterverkaufen, sollten keine neuen nach Somalia geliefert werden. Mehr als alles andere braucht es jedoch Investitionen in die Ausbildung der somalischen Soldaten. Mit einer Armee, die kaum kampffähig und auf ausländische Truppen angewiesen ist, hat Somalias Regierung weit größere Sorgen als die Frage, wo sie billiges Schießgerät herbekommt.
Mohamed Mubarak ist Sicherheitsexperte und kämpft als Gründer der nichtstaatlichen Organisation Marqaati in Mogadischu gegen die Korruption in Somalia. Aus Sicherheitsgründen will er kein Bild von sich veröffentlicht sehen.
Aus dem Englischen von Sebastian Drescher.
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