Experten in eigener Sache

Menschen mit Behinderung können sich künftig an der seit 1982 bestehenden Partnerschaft von Rheinland-Pfalz und Ruanda in Zentralafrika beteiligen. Beide Länder gelten als Vorreiter bei der Inklusion von behinderten Menschen.

Menschen mit Behinderung können sich künftig an der seit 1982 bestehenden Partnerschaft von Rheinland-Pfalz und Ruanda in Zentralafrika beteiligen. Beide Länder gelten als Vorreiter bei der Inklusion von behinderten Menschen.

Bei einer Projektreise im Oktober 2013 knüpfte die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter Rheinland-Pfalz (LAG) Kontakte zum 2010 gegründeten staatlichen Nationalen Behindertenrat Ruandas und dem nichtstaatlichen Verband National Union of Disabilities Organisation (NUDOR). In Zukunft wollen Mitglieds­organisationen der rheinland-pfälzischen LAG gemeinsam mit Partnerorganisationen Projekte durchführen.

Ein Gegenbesuch der ruandischen Partner ist für Juli 2014 geplant. Im Oktober soll die Einbeziehung Behinderter in der Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda festgeschrieben werden. „Für uns ist das ein Novum“, sagt Stephan Heym von der LAG. Zum ersten Mal können sich Selbsthilfe-Organisationen von Behinderten aus dem Bundesland als „Experten in eigener Sache in die Entwicklungszusammenarbeit einbringen“. Grundlage der neuen Kooperation ist die UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen. Sie legt den Schwerpunkt auf Inklusion, die volle gesellschaftliche Teilhabe von Behinderten.

Für die Entwicklungszusammenarbeit bedeutet die Konvention eine Verlagerung vom „Fürsorge“-Ansatz hin zu mehr Selbstverantwortung und Mitbestimmung für behinderte Menschen.

In Ruanda trat die Konvention 2008 in Kraft, in Deutschland ein Jahr später. Beide Länder haben sich für die praktische Umsetzung eingesetzt. Rheinland-Pfalz hat als erstes deutsches Bundesland einen Aktionsplan, in Ruanda hat der Nationale Behindertenrat einen Fünf-Jahres-Strategieplan verabschiedet. Dazu gehören zum Beispiel Kampagnen gegen die Diskriminierung Behinderter und Bemühungen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

Auch wenn nichtstaatliche Organisationen in Ruanda kritisieren, der Plan werde nicht in allen Punkten in die Praxis umgesetzt, sei doch ein ernsthaftes Bemühen erkennbar. Zum Beispiel, so Richard Auernheimer vom Partnerschaftsverein Ruanda – Rheinland-Pfalz, würden behinderte Kinder wie von der UN-Konvention gefordert in Regelschulen unterrichtet. Vorher gab es das so gut wie gar nicht. Ein parlamentarischer Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderung bringt ihre Anliegen ins nationale Parlament in Kigali ein.

Laut Fachleuten bemüht sich Ruanda ernsthaft um Inklusion

Aber die Probleme bei der Verwirklichung von gesellschaftlicher Teilhabe für behinderte Menschen in Ruanda bleiben groß. Rund fünf Prozent der Bevölkerung werden von offiziellen Stellen als behindert eingestuft, wahrscheinlich sind es mehr. Soziale Benachteiligung ist noch weit verbreitet in Ruanda. Bei der Erbfolge werden Behinderte häufig übersehen. Es gibt immer noch Fälle von behinderten Kindern, die versteckt werden und als „Schande“ für ihre Familien gelten.

In den Behinderteneinrichtungen fehlen häufig medizinisches Gerät und Therapieangebote. Erziehern und Lehrern mangelt es oft an den erforderlichen fachlichen Qualifikationen. Während manche Behindertenzentren die jungen Menschen auf Regelschulen vorbereiten, vermitteln andere noch wenig Anreize zur Inklusion. „In Ruanda ist der Inklusionsansatz genauso umstritten wie in Deutschland“, sagt Mona Harbich vom Innenministerium in Mainz. In dem zentralafrikanischen Land werde ebenso über den Sinn von speziellen Förderschulen und Werkstätten ausschließlich für Behinderte diskutiert wie in Deutschland.

Auf der anderen Seite hat Ruanda aber auch eine aktive Zivilgesellschaft, die sich seit Jahren bemüht, Diskriminierung abzubauen, und dabei von staatlichen Stellen gefördert wird. Mona Harbich sieht neben Ausgrenzung auch „große Unterstützung und viel Engagement“ für Behinderte in Ruanda.
In Zukunft sollen Kooperationen von Schulen und Förderschulen aus Rheinland-Pfalz mit Behinderteneinrichtungen in Ruanda ausgebaut werden.

Die Landesschule für Gehörlose in Neuwied plant eine Partnerschaft mit der Gehörlosenschule in Butare. Aber vor allem bekommen durch die Zusammenarbeit der Selbsthilfeorganisationen in beiden Ländern Behinderte selbst eine Stimme bei der Planung und Umsetzung von Initiativen.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2014: Medizin: Auf die Dosis kommt es an
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