(8.1.2014) Der bisherige entwicklungspolitische Sprecher der SPD, Sascha Raabe, wirft hin. Er fühlt sich im Ringen um eine Aufstockung der Entwicklungshilfe von der eigenen Parteiführung im Stich gelassen.
In einem offenen Brief wirft er „einigen Mitgliedern der Parteispitze“ vor, sie hätten in den Koalitionsverhandlungen eine kräftige Erhöhung des Entwicklungsetats abgelehnt. Dabei hatten die Sozialdemokraten noch in ihrem Wahlprogramm jährlich zusätzlich eine Milliarde Euro für den Kampf gegen die Armut gefordert. Raabe war daran maßgeblich beteiligt gewesen.
„Ich weiß, dass unsere Forderung nach deutlich mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit in Wirklichkeit nicht an Angela Merkel, sondern an der SPD gescheitert ist“, schreibt Raabe. In der entscheidenden Verhandlungsrunde über Finanzen habe eine Mehrheit in der SPD-Gruppe die Auffassung vertreten, zu viel Geld für Entwicklungspolitik werde zu Lasten von anderen Bereichen wie Bildung gehen. Mit diesem Wissen könne er nicht mehr als Sprecher weiter machen, so Raabe. Denn als solcher hätte er der Öffentlichkeit „vorgaukeln“ müssen, dass eine Aufstockung an der Union gescheitert sei. „Die Darstellung einer solchen Unwahrheit kann ich mit meinem Gewissen aber nicht vereinbaren.“
Raabe ärgert, dass den eigenen Partei-Granden das Verständnis für den Stellenwert der Entwicklungszusammenarbeit offenbar abhandengekommen ist. Hier werde sowohl die breite Unterstützung in der Bevölkerung für Entwicklungspolitik als auch die in der SPD-Geschichte immer sehr hoch gehaltene Tradition verkannt, geprägt von Willy Brandt, über Erhard Eppler bis hin zu Heidemarie Wieczorek-Zeul. „Wenn Bildung in Deutschland von wichtigen Mitgliedern unserer Parteispitze gegen den Hunger in der Welt ausgespielt wird, lässt dies auch für die Zukunft nichts Gutes erahnen“, schreibt Raabe in seinem Brief.
Deutschland hat wie andere Industriestaaten zugesagt, bis 2015 seine Zuwendungen für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung aufzustocken. Die Quote beträgt derzeit nur 0,37 Prozent. Im Koalitionsvertrag sagt die Koalition lediglich zu, sich diesem international vereinbarten Ziel weiter nähern zu wollen. Was hätte es für ein großartiges Signal sein können, sagt Raabe, wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel gemeinsam der Welt verkündet hätten, dass sie Deutschlands internationales Versprechen in den nächsten vier Jahren endlich erfüllen werden.
Raabe: Nicht die Union hat versagt
Dennoch hofft Raabe darauf, dass seine offene Kritik – bewusst will er keine Namen nennen – doch noch zur Einsicht führt. Wohl nicht als Fraktionssprecher, aber doch als Mitglied im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung will er sich weiter für eine Erhöhung der Haushaltsmittel einsetzen und unbequem sein.
So bleibt Raabe sich immerhin selber treu, und kann – wie er in seiner Erklärung anspricht – sich morgens mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen. Er wolle es nicht als Versagen der CDU/CSU verkaufen müssen, wenn die Bundesregierung sich internationaler Kritik ausgesetzt sieht, sagt er. Die eigene Partei stehe nun genauso in der Pflicht. Auch mit der Hälfte der SPD-Forderung, nämlich mit einer jährlichen Steigerung von 500 Millionen Euro, hätte er gut leben können. Vereinbart hatten die Koalitionspartner am Ende ein jährliches Plus von lediglich 200 Millionen Euro – also nur ein Fünftel der ursprünglichen SPD-Forderung. „Damit lässt sich bestenfalls die bisherige deutsche ODA-Quote halten, aber aufgrund des jährlich wachsenden Bruttonationaleinkommens nicht steigern“, schreibt Raabe in seinem offenen Brief.
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