Schweiz: Verzerrter Blick auf Migranten

Auf dem Schweizer Sorgenbarometer belegen Migration und die Integration von Ausländerinnen und Ausländern Rang zwei, direkt nach der Arbeitslosigkeit. Über Zuwanderung soll in naher Zukunft an der Urne entschieden werden – damit stehen dem Land emotionale Debatten bevor.

So will die Initiative „gegen Masseneinwanderung“ der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) Anfang Februar 2014 die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen für Ausländerinnen und Ausländer begrenzen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Isopublic im Auftrag der evangelisch-reformierten Zeitung „reformiert.“ fände das Volksbegehren eine Mehrheit von 55 Prozent.

Die Online-Umfrage bringt die Einstellungen zu Zuwanderung und Integration mit der Religion in Zusammenhang. Die Resultate sind vielschichtig und teils widersprüchlich. So bekennen sich 70 Prozent der gut 1200 Befragten zwar zur Religionsfreiheit. 72 Prozent gewichten die Gleichberechtigung von Mann und Frau aber höher. Damit wird ein eigentlich absoluter Wert eingeschränkt. Zwei Drittel sind gegen das Kopftuch und fast drei Viertel gegen die jüdische Kopfbedeckung Kippa im Schulzimmer.

Die Befragten bescheinigen den Reformierten, Katholiken, Konfessionslosen und Buddhisten eine hohe Integrationsfähigkeit. Vor allem Muslime – sowie Juden, orthodoxe Christen und Hindus – halten sie jedoch für wenig integrationsfähig. Die Umfrage zeigt auch, dass Kirchen in Migrationsfragen oft an ihrer Basis vorbeipolitisieren. 58 Prozent der Reformierten wollen strengere Ausländergesetze – der evangelische Kirchenbund wehrt sich dagegen. Zugleich genießt die Kirche aber große Unterstützung bei ihrem Engagement für Flüchtlinge und illegale Einwanderer.

Religiöse Gemeinschaften tun viel für die Integration

Martin Baumann, Professor für Religionswissenschaften an der Universität Luzern, betont, gerade religiöse Gemeinschaften täten viel für die soziale Eingliederung von Migranten. Sie übernähmen in ihren Moscheen, Tempeln und Kirchen mit Informationsstellen oder Jobbörsen zum Teil Aufgaben der Behörden, sagt er im Interview mit „reformiert.“. Auch viele islamische Gemeinden setzten sich für Integration ein und leisteten engagierte Jugendarbeit.

Die Integration hänge jedoch auch von den religiösen Führern in der Schweiz ab. „Imame oder auch orthodoxe Priester, die schon länger hier leben, leisten viel für die Vermittlung“, sagt Baumann. Doch würden muslimische Geistliche meist nur für eine beschränkte Zeit „importiert“. „Diese vom Bundesamt für Migration koordinierte Politik könnte man durchaus hinterfragen“, erklärt der Religionswissenschaftler. Er wünscht sich mehr Begegnungen zwischen Menschen verschiedener Herkunft, weniger Polarisierung in der Politik und sachlichere Informationen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass die meisten Ausländer in der Schweiz  katholisch (41 Prozent) und konfessionslos (26 Prozent) sind. Erst dann folgen mit 14 Prozent die Muslime, christliche Glaubensgemeinschaften mit acht, Reformierte mit sechs und Juden mit 0,3 Prozent. „Integration, so könnte man also diese Zahlen interpretieren, sollte für die große Mehrheit der Ausländer prinzipiell kein Problem sein. Zumindest nicht, was ihren Glauben betrifft“, schreibt „reformiert.“

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erschienen in Ausgabe 12 / 2013: Unser täglich Fleisch
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