Nicht nur Interessenvertreter der Zivilgesellschaft klagen über einen Mangel an Transparenz bei der staatlichen Außenwirtschaftsförderung. Auch der bisherige menschenrechtspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag, Christoph Strässer, sieht Änderungsbedarf. Allerdings solle man sich keine voreiligen Hoffnungen machen, eine schwarz-rote Bundesregierung werde sich strengere Regeln und mehr Offenheit bei der Bewilligung von Förderanträgen verordnen. Die Kriterien der Industrieländerorganisation OECD sind freiwillig; für verbindlichere Schutzpflichten sieht der SPD-Abgeordnete „keine positive Entwicklung“.
Im Oktober hatten 30 nichtstaatliche Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen einen Forderungskatalog für eine „menschenrechtskonforme, sozial- und umweltverträgliche Außenwirtschaftsförderung“ vorgelegt. Demnach solle die Bundesregierung Atomanlagen sowie Kohlekraftwerke und Geschäfte zur Ölförderung überhaupt nicht mehr fördern. Gleiches gelte für Rüstungsgüter sowie Überwachungstechnologie für autoritäre Staaten. Außerdem sollten „potenziell kritische Bürgschaften“ schon vor einer Zusage an den Exporteur veröffentlicht werden, um die Zivilgesellschaft in die Entscheidung einzubinden, heißt es in dem Forderungskatalog.
Unverrückbar hingegen ist die Position von Wirtschafts-, Außen- und Entwicklungsministerium, die gemeinsam über Förderanträge entscheiden. Sie sehen sich in der Verantwortung gegenüber deutschen Unternehmen, die in „Risikoländern“ im globalen Wettbewerb bestehen müssen. Die gebräuchlichsten Instrumente, die der Regierung dazu zur Verfügung stehen, sind Investitionsgarantien zum Schutz vor politischen Risiken und die sogenannten Hermes-Bürgschaften, mit denen sich deutsche Exporteure gegen den Zahlungsausfall von Geschäftspartnern im Ausland versichern können.
Die Zivilgesellschaft fordert ein Gesetz für Exportkredite
Dabei haben die Bedenkenträger das Gewicht der Vereinten Nationen auf ihrer Seite, wenn Hermes-Bürgschaften für umstrittene Staudamm- oder Rohstoffprojekte Wellen schlagen. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die 2011 vom Menschenrechtsrat angenommen wurden, nennen die Außenwirtschaftsförderung ausdrücklich als einen Bereich, in dem der Staat mehr tun könne, um seine Schutzpflicht für Menschenrechte auch und gerade gegen Unternehmen zu vertreten. Die Zivilgesellschaft verlangt in ihrem Forderungskatalog, die Außenwirtschaftsförderung solle insgesamt über ein eigenes Gesetz geregelt werden, um Vergabegrundsätze und die Beteiligung des Parlaments festzuschreiben.
Damit stoßen sie aber beim rechten und liberalen politischen Lager auf strikte Ablehnung. Das sieht Sozialstandards und Menschenrechte in den Empfehlungen der OECD ausreichend gewahrt. Vertreter der OECD sehen denn auch große Fortschritte im Vergleich noch zu den 1990er Jahren: Die Standards würden zunehmend angewandt. Die staatliche Förderung von Investitionen und Exportgeschäften sei ein wirksamer Hebel, um in den Gastländern auf solche Standards zu pochen – und sie auch gegenüber mächtigen Wettbewerbern wie China oder Brasilien als Messlatte hochzuhalten.
Bisweilen ist es jedoch enorm schwierig, ausreichend Informationen über Exporteure oder Banken einzuholen, um dem interministeriellen Ausschuss gegebenenfalls Auflagen zu empfehlen. Das räumte ein Vertreter von Euler-Hermes ein. Die Agentur, die ihren Fragenkatalog um soziale und Menschenrechtsaspekte erweitert hat, nimmt die Risikoabschätzung vor und bereitet die Entscheidungen des Ausschusses vor. Christian Scheper vom Institut für Entwicklung und Frieden weist zudem darauf hin, dass insbesondere Großprojekte von internationalen Firmenkonsortien nur schwer nach standardisierten Verfahren zu prüfen und zu kontrollieren seien.
Nicht zuletzt aus diesem Grund sollen Betroffene Informationen aktiv anfordern können und mit ihren Beschwerden bei Verstößen Gehör finden, sagt Scheper: „Wir brauchen unabhängige Instanzen wie einen Ombudsmann.“ So bleibt umstritten, wie weit die Fürsorgepflicht der Industrie- und Exportnation Deutschland reicht, während in Entwicklungs- und Schwellenländern das Recht meist auf der Seite der Stärkeren steht. Und den Menschenrechts-TÜV des Entwicklungsministeriums müssen nur eigene Projekte bestehen, nicht die staatlich geförderten Geschäfte von Unternehmen.
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