Swasiland: Der letzte Monarch

Der König von Swasiland, Mswati III., gerät mit seinem Regierungsstil zunehmend in die Kritik. Mehr Mitsprache des Volkes lehnt er ab. Sein Modell einer „monarchistischen Demokratie“ stößt auf wenig Begeisterung.

Mswati III., der 14 Frauen sein eigen nennt, erregt auch mit seiner luxuriösen Lebensführung Anstoß. 63 Prozent der Bevölkerung seines Landes leben unterhalb der Armutsgrenze und müssen mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen. Auch mit der Gesundheitsversorgung ist es nicht gut bestellt. Unter seinen 1,3 Millionen Untertanen sind 26 Prozent der Erwachsenen mit HIV/Aids infiziert – das ist die höchste Infektionsrate weltweit.

Im In- und Ausland stößt sein Regierungsstil auf scharfe Kritik. Er lehnt ein demokratisches Mehrparteiensystem ab und hält stattdessen an dem Verfahren fest, das sein Vater, der verstorbene König Sobhuza II., eingeführt hat. Der verhängte 1973 den Ausnahmezustand über Swasiland, verbot alle politischen Parteien und verfügte, dass in den als „tinkhundla“ bezeichneten Wahlkreisen parteiunabhängige Kandidaten aufgestellt werden müssen.

Autorin

Mantoe Phakathi

stammt aus Swasiland und arbeitet seit zehn Jahren als Journalistin. Sie berichtet über Politik, Menschenrechte, Landwirtschaft, Umwelt- und Klimafragen.

Außerdem setzte Sobhuza II. die Verfassung außer Kraft, die Swasiland 1968 nach der Unabhängigkeit von der britischen Regierung übernommen hatte. Die Proteste der swasiländischen Opposition und der internationalen Gemeinschaft brachten Mswati III. immerhin dazu, dass er 2006 eine Verfassung akzeptierte, die das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit garantiert. Trotzdem werden politische Parteien immer noch nicht anerkannt. Das Regime ist weit davon entfernt, Andersdenkenden eine Chance zu geben. Das zeigen die jüngsten Wahlen am 20. September 2013 und die Art, wie der König danach die politischen Ämter besetzte. Sein Land bezeichnet er seit September als „monarchische Demokratie“. Vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sagte er, er regiere das Land „durch sein Volk“. Nicht alle waren von dieser Erklärung beeindruckt. Der Ruf nach Reformen ertönt nicht nur aus der eigenen Bevölkerung. Die Wahlbeobachter der Afrikanischen Union forderten König Mswati nach den Wahlen erstmals auf, politische Parteien zuzulassen. Im vergangenen Jahr verabschiedete die Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte eine Resolution, in der Swasiland ermahnt wurde, die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Organisationsfreiheit zu respektieren. Justice Maxon Mbendera, der Vorsitzende der Wahlbeobachtungskommission, legte der Regierung dringend nahe, diese Resolution umzusetzen. 

„Was Demokratie ist, liegt im Auge des Betrachters“ 

Zuvor hatten die Wahlbeobachter festgestellt, dass zu den Wahlen keine Vertreter von Parteien, sondern nur unabhängige Kandidaten angetreten waren. Die 55 Wahlkreise des Landes entsandten je einen Vertreter in die Abgeordnetenkammer. Außerdem benannte der König zehn weitere Mitglieder des Gremiums – überwiegend lokale Herrscher und Angehörige der königlichen Familie. Das Unterhaus schickt zehn Vertreter in den 30-köpfigen Senat, die übrigen 20 Mitglieder  darf sich der König selbst aussuchen. Er bestimmt außerdem den Premierminister und alle übrigen Regierungsmitglieder. 

Die Demokratiebewegung beharrt darauf, dass politische Parteien zugelassen werden müssen. Aber die Polizei brachte sie mit der brutalen Unterdrückung ihrer Protestaktionen zum Schweigen. Manche versuchen nun, innerhalb des Parlaments auf eine Veränderung des Systems hinzuwirken. Zu ihnen zählt Jan Sithole, ein ehemaliger Gewerkschaftsführer und der Gründer und Vorsitzende der Swaziland Democratic Party (SWADEPA). Er war der Vorsitzende des Gewerkschaftsverbands SFTU, der sich jetzt TUCOSWA (Trade Union Congress of Swaziland) nennt. 1996 brachten die Gewerkschaften das Land zum Stillstand, um ihren Forderungen an die Regierung Nachdruck zu verleihen. Sie streikten für eine Verfassung, die Abkehr vom „tinkhundla“-System und die Zulassung von Parteien.

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Sithole und andere fortschrittliche Kräfte brachten im Jahr 2009 die Regierung vor Gericht, um ihre Forderungen durchzusetzen. Doch ihre Klage wurde abgelehnt, und sie scheiterten erneut, als sie in Berufung gingen. Das Gericht befand, dass  Mitglieder politischer Parteien sich im Rahmen der Verfassung jederzeit als unabhängige Kandidaten zur Wahl stellen dürften. Danach könnten sie sich mit Gleichgesinnten zusammenschließen und gemeinsam agieren. „Auf diese Weise sind die politischen Parteien wohl auch entstanden“, behauptete ein Richter der zweiten Instanz. „Was Demokratie ist, liegt im Auge des Betrachters.“ Das Gerichtsurteil wurde zwar international kritisiert, doch die Regierung kann sich darauf stützen, sobald sie mit der Forderung nach einem Mehrparteiensystem konfrontiert wird.

Der König darf das Parlament ohne Begründung auflösen 

Sithole erkannte nun, dass die Regierung nicht einlenken würde, und so gründete er 2011 die SWADEPA und wurde als unabhängiger Kandidat für den Wahlkreis Manzini North ins Parlament gewählt. Die SWADEPA wird von der sozialdemokratischen Regierungspartei Dänemarks (SDP) unterstützt. Sitholes Parteigenossen beurteilen die Beteiligung am Parlament in einem repressiven System, das den König und die Königinmutter über das Gesetz stellt, mit großer Skepsis. Doch er vertritt die Ansicht, die Verfassung werde ihm einen gewissen Spielraum erlauben.

Zu seinen wichtigsten Anliegen gehört die Registrierung der Parteien, damit sie sich zur Wahl stellen können, wie es die Demokratiebewegung schon seit vier Jahrzehnten fordert. „Auch andere Rechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit müssen auf die Tagesordnung gesetzt werden“, sagte Sithole. „Bisher lassen die staatlichen Radio- und Fernsehsender die Bürger und die Abgeordneten nicht zu Wort kommen, obwohl die Freiheit der Meinungsäußerung von der Verfassung garantiert wird.“

Vincent Ncongwane, Vorsitzender des Gewerkschaftsverbands TUCOSWA, hält das für eine schwierige Aufgabe. Sithole sei ganz auf sich allein gestellt, sagt er. Er habe die geballte Macht eines Regimes gegen sich, das nicht davor zurückschreckt, jeden, der den Status quo gefährdet, zum Schweigen zu bringen. Solche Befürchtungen sind nicht unbegründet, denn schon andere mit den gleichen Absichten wie Sithole haben Schiffbruch erlitten. Sie wechselten ins gegnerische Lager, verdienen jetzt ordentlich und kümmern sich nicht mehr um die Anliegen der Bevölkerung. „Dem Vernehmen nach steht  Jan immer noch hinter dem, wofür er in seiner Wahlkampagne eingetreten ist“, sagt Ncongwane. „Ob er seine Ziele verwirklichen kann, bleibt abzuwarten.“

Sithole und ähnlich gesinnte Abgeordnete werden es nicht leicht haben, meint auch Muzi Masuko, der in der „Open Society Initiative for Southern Africa“ für Swasiland zuständig ist: „Das System ist so angelegt, dass jeder scheitert, der aus dem Parlament heraus eine Veränderung in Gang setzen will.“ Denn der König hat das Recht das Parlament aufzulösen, ohne Gründe dafür anzugeben. Deshalb muss jemand in Sitholes Position sehr geschickt manövrieren, wenn er am Ball bleiben will.

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„Die 64 anderen Abgeordneten sind nicht unbedingt mit Jan einig. Und dazu kommen die mehrheitlich vom König ausgewählten Senatoren“, gibt Masuko zu bedenken. Doch es sei ein Schritt in die richtige Richtung, dass jetzt mehr Leute im Parlament sitzen, die gemeinsam eine Veränderung anstreben. Außerdem sei Sithole ein ausgezeichneter Redner, der zu überzeugen versteht. „Das brutale Vorgehen der Polizei wurde im Parlament noch nie diskutiert, und jetzt kann Jan es für uns zur Sprache bringen“, meint Masuko.

Sithole will keine Auskunft darüber geben, wie viele Mitglieder seiner Partei im Parlament sitzen. Er könne jedoch mehrere Abgeordnete dafür rekrutieren, meint er. Obwohl Premierminister Barnabas Sibusisio Dlamini den neugewählten Parlamentariern wegen Teilnahme an nicht genehmigten Versammlungen mit einer Anzeige drohte, berief Sithole eine einwöchige Parteikonferenz ein. Bislang musste er keine Repressionen fürchten. Doch ob das so bleibt, ist fraglich, denn Dlamini ist ein Verbündeter des Königs. Er wurde bereits zum vierten Mal ins Amt berufen und ist somit der dienstälteste Regierungschef des Landes.

Die oppositionellen Kräfte sind darüber beunruhigt, und Gewerkschaftschef Ncongwane sagt: „Wir rechnen mit dem Schlimmsten.“ Sein Gewerkschaftsverband TUCWOSA wurde einen Monat nach der Zulassung wieder verboten, da kein Gesetz seine Existenz vorsieht. Seither werden TUCWOSA-Anhänger von den Sicherheitskräften drangsaliert, obwohl die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen die Aufhebung des Verbots gefordert hat. Unter Dlamini hat die Brutaliät der Polizei deutlich zugenommen. Im August 2012 wurde bei einer nationalen Konferenz seine Entlassung gefordert, doch das beeindruckte den König wenig.

Die Regierung hat in vielerlei Hinsicht versagt. So traten etwa die Lehrer in Streik, um die Forderung ihrer Gewerkschaft nach einer fünfprozentigen Gehaltserhöhung als Teuerungsausgleich durchzusetzen. Doch die Regierung war nicht zum Einlenken bereit, und als die Lehrer weiter streikten, wurden sie allesamt entlassen. Nachdem ihnen der König verziehen hatte, wurden sie später wieder eingestellt.

Die meisten Minister entstammen der vorigen Regierung

Derzeit erlebt das Land zudem eine Wirtschaftskrise. Da es zu wenige ausländische Direktinvestitionen gibt, hängt der Haushalt Swasilands zu bis zu zwei Dritteln von Einkünften aus der Südafrikanischen Zollunion ab. Diese gingen infolge der weltweiten Rezession um 60 Prozent zurück. Nun musste der Internationale Währungsfonds (IWF) eingreifen. Er verordnete dem Land unter anderem, die Gehälter von Beamten und Politikern um fünf bis zehn Prozent zu kürzen. Die öffentlichen Bediensteten wollten die Kürzung nicht hinnehmen und drohten mit Streik. Die Politiker akzeptierten eine Kürzung um zehn Prozent, doch die Regierung versprach ihnen dafür üppige Zulagen und Abfindungen. Deshalb verweigerte der IWF Swasiland die Empfehlung, die es gebraucht hätte, um Gelder von Entwicklungsinstitutionen wie der Afrikanischen Entwicklungsbank zu bekommen. Auch eine Anleihe bei der südafrikanischen Regierung kam nicht zustande, weil die swasiländische Regierung die daran geknüpften Bedingungen nicht erfüllen wollte. Dazu gehörten auch Verhandlungen mit der Opposition.

Das Abgeordnetenhaus verabschiedete ein Misstrauensvotum gegenüber dem Ministerrat, doch König Mswati verweigerte seine laut Verfassung erforderliche Zustimmung. Bei der Wahl im September wurden nur zwei von den acht Ministern, die kandidierten, wieder ins Parlament gewählt. Die Menschen in Swasiland wollen also eine Veränderung – doch der König besetzte die meisten Ministerposten wieder mit den Leuten aus der vorigen Regierung.

Aus dem Englischen von Anna Latz

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erschienen in Ausgabe 12 / 2013: Unser täglich Fleisch
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