Gutes Fleisch: Schnitzel vom gesunden Schwein

Strikte Kontrollen sorgen in Europa dafür, dass Verbraucher unbesorgt Fleisch essen können – jedenfalls meistens. In ärmeren Ländern ist es um die Tiergesundheit weniger gut bestellt. Das schadet den Bauern dort und begünstigt die Ausbreitung von Seuchen.

Marie und Emma grunzen zufrieden in ihrem kleinen Auslauf, das dunkelbraune Fell glänzt. Mit Begeisterung stürzen sie sich auf die altbackenen Brötchen, die ein junger Mann in ihren Futtertrog kippt. Die beiden mächtigen Sauen der Rasse „Duroc“ leben auf dem Dottenfelder Hof in Bad Vilbel in der Nähe von Frankfurt – einem Demeter-Betrieb, der nach strengen biologisch-dynamischen Prinzipien wirtschaftet. „Eine robuste Züchtung, gutes Futter, eine artgerechte Haltung und eine enge Beziehung zum Menschen“ sind laut Landwirt Martin von Mackensen die Voraussetzungen dafür, dass seine Tiere gesund sind und bleiben.

Holt sich eines der Schweine doch einmal eine bakterielle Infektion, wird es mit einem Antibiotikum behandelt – das ist auch in der ökologischen Tierhaltung erlaubt. „Wenn ein Tier leidet, muss ich das Leid lindern“, sagt von Mackensen. Geschlachtet werden darf es dann erst mehrere Tage bis Wochen nach dem Abschluss der Behandlung. Diese „Wartezeit“ hängt vom Medikament ab, bei der konventionellen Haltung ist sie jeweils halb so lang.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Nur gesunde Tiere liefern qualitativ hochwertiges Fleisch – ob sie artgerecht gehalten werden wie auf dem Dottenfelder Hof oder ob sie aus konventioneller oder industrieller Haltung stammen wie die meisten Schweine, Kühe und Hähnchen in Deutschland. Ein ausgeklügeltes System von ineinandergreifenden Gesetzen, Verordnungen und Institutionen gewährleistet die Bekämpfung von Tierseuchen und die Lebensmittelsicherheit hierzulande und in anderen europäischen Ländern. Laut dem „EU-Hygienepaket“ sind etwa die Lebendbeschau vor der Schlachtung und die Fleischbeschau danach durch einen Veterinär obligatorisch. Nur wenn er den toten Tierkörper als „genusstauglich“ freigeben hat, darf dieser zu Fleisch weiterverarbeitet und verkauft werden. Manche Bakterien oder Viren machen nur die Tiere krank – und können, wenn sie sich ausbreiten, für einen Landwirt einen empfindlichen Verdienstausfall bis hin zum Verlust seines Bestandes bedeuten. Mit anderen Infektionen, den Zoonosen, können sich auch Menschen anstecken. Sie werden etwa durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel oder den Kontakt mit einem infizierten Tier übertragen. Dieses Risiko können Bauer, Schlachthof und Veterinär zwar verringern, aber nicht ganz ausschalten.

Infektionen entstehen durch schlecht durchgegartes Fleisch

Es liegt auch in der Hand des Verbrauchers, durch einen hygienischen Umgang mit dem Fleisch und eine entsprechende Zubereitung dafür zu sorgen, dass mögliche Keime abgetötet werden und ihm keine Beschwerden verursachen. „Wir müssen vom Stall bis auf den Teller schauen“, sagt Miriam Ewald vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). „Denn eine komplett keimfreie Tierhaltung ist nicht möglich.“

Das Institut, das dem Bundesverbraucherministerium zugeordnet ist, legt einen jährlichen Bericht über die Verbreitung von Zoonosen vor und arbeitet eng mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zusammen, die für ganz Europa die Daten zusammenträgt. Weltweit sind mehr als 200 Zoonosen bekannt; Krankheitserreger sind Viren, Bakterien, Pilze und Würmer. In der Europäischen Union (EU) werden acht von ihnen kontinuierlich überwacht, bei weiteren, darunter Tollwut, West-Nil-Fieber und Vogelgrippe, beginnt die Überwachung, sobald ein Fall aufgetreten ist.

In Europa sind Campylobacter und Salmonellen am weitesten verbreitet. Die Zahl der Salmonelleninfektionen ist laut EFSA seit sieben Jahren dank verbesserter Hygiene in der Hühnerhaltung rückläufig, 2011 wurden europaweit rund 95.500 Fälle registriert. Die Zahl der Menschen, die sich mit Campylobacter angesteckt haben, ist dagegen im selben Jahr gegenüber 2010 um 2,2 Prozent auf mehr als 220.200 gestiegen – laut EFSA ein Hinweis darauf, wie wichtig eine kontinuierliche Überwachung und Bekämpfung der Zoonosen weiter ist. Beide Infektionen, die etwa durch schlecht durchgegartes Geflügelfleisch verursacht werden, äußern sich in heftigen Bauchschmerzen und Durchfällen, und sind meldepflichtig, in Deutschland beim Robert-Koch-Institut in Berlin. Die Meldepflicht trägt dazu bei, dass Ansteckungsquellen schneller entdeckt und beseitigt werden können.

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Strittig ist unter Experten, ob die intensive Tierhaltung die Ausbreitung zoonotischer Erreger begünstigt. Einerseits ist in großen Ställen die Seuchengefahr größer, weil viele Tiere auf engem Raum sich schnell gegenseitig infizieren. Andererseits sind die Voraussetzungen für eine bessere Hygiene in der industriellen Haltung oft besser als in kleineren Betrieben. Wenn Legehennen oder Schweine in einem „hermetisch abgeschlossenen System“ gehalten würden, sei die Gefahr gering, dass sich Krankheitserreger von außen einschleichen, sagt Nadine Sudhaus vom Institut für Lebensmittelqualität und -sicherheit der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Für diese „Vorteile hygienischer Art“ nehme man allerdings andere gesundheitliche Risiken für die Tiere in Kauf: Ballenentzündung bei Hühnern oder ein fehlender Auslauf für Schweine, ergänzt Sudhaus. Wenn sich die Tiere außerhalb des Stalles frei bewegen könnten, steige wiederum die Ansteckungsgefahr bei Wildtieren. Ob industriell, konventionell oder ökologisch – es hänge stark vom Management eines Betriebs ab, wie gesund seine Tiere sind. Sudhaus beobachtet in Deutschland einen Trend zur artgerechteren Haltung, etwa im Rahmen der „Aktion Tierwohl“. Die beteiligten Bauern räumen den Muttertieren in der Schweinehaltung mehr Platz ein als in der konventionellen Landwirtschaft gesetzlich vorgeschrieben, und sie setzen auf kürzere Transportwege zum Schlachthof. „Das muss ausgebaut werden, geht aber schon in eine gute Richtung“, sagt die Veterinärin.

Antibiotika im Fleisch

Wissenschaftlern, Politikern und Verbrauchern bereitet der breit gestreute Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung Sorgen. Sobald ein Tier im Stall einen Infekt bekommt, werden in der Regel vorsorglich ...

Mit dem weltweit steigendem Fleischkonsum und den globalisierten Warenströmen wird es immer wichtiger, die Gesundheit von Nutztieren und die Lebensmittelsicherheit über die Grenzen Europas und anderer Industriestaaten hinweg zu kontrollieren. Die EU setzt derzeit mit Hilfe ihrer Lebensmitteleinfuhrverordnung vor allem auf Grenzkontrollen, wenn tierische Produkte aus Nicht-EU-Staaten eingeführt werden. Akribisch ist darin festgelegt, wo und bei welchen Mengen Proben genommen und analysiert werden. Über ein Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel werden die Mitgliedsstaaten dann auf kontaminierte Produkte aufmerksam gemacht.

Der Direktor der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE), Bernard Vallat, wünscht sich neben den Kontrollen mehr Solidarität der Europäer mit ärmeren Ländern. Zwei Drittel der Krankheitserreger, die für den Menschen gefährlich werden können, seien tierischen Ursprungs, sagte er im Januar bei einer Konferenz in Brüssel. Vallat appellierte eindringlich an die EU-Mitglieder, ärmere Länder bei der Entwicklung von Systemen zur Entdeckung und schnellen Bekämpfung solcher Infektionen zu unterstützen – auch im eigenen Interesse. Schließlich müssten sie sich davor schützen, dass Krankheiten, die bei ihnen gut unter Kontrolle sind, über den Handel wieder eingeschleppt werden. Darüber hinaus gingen mindestens 20 Prozent der weltweiten Produktion tierischer Nahrungsmittel im Jahr durch ansteckende Tierkrankheiten verloren – ein ökonomischer Verlust nicht nur für einzelne Bauern, sondern auch für ganze Volkswirtschaften. 

Ein Blick nach Kenia zeigt, wie sich die Verhältnisse unterscheiden. Während in Deutschland die meisten Tierseuchen durch Impfungen und Kontrollen ausgemerzt sind, könnten sie bei nomadischen Viehhirten die Existenz bedrohen, erklärt Willi Duehnen, Geschäftsführer der Organisation „Tierärzte ohne Grenzen“. Die staatlichen Kontrollsysteme seien schwach, es gebe zu wenig Medikamente wie Entwurmungsmittel und geimpft würde oft nur sporadisch. Viele Tierhalter hätten kein Geld für Impfungen, Arzneimittel und die Tierarztrechnung. „Außerdem finden Veterinäre das Leben in den trockenen Gebieten im Süden des Landes wenig attraktiv. Sie praktizieren lieber in den Städten und im Hochland“, sagt Duehnen.

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„Tierärzte ohne Grenzen“ bildet deshalb Tiergesundheitshelfer aus, die impfen und eine Basisversorgung übernehmen können. Auch die britische Organisation Global Alliance for Livestock Veterinary Medicines (GALVmed) hilft Tierhaltern in Afrika im Kampf gegen das Rift-Valley- und das East-Coast-Fieber, indem sie Impfstoffe bereitstellt. Die Welternährungsorganisation FAO hat mit lokalen Partnern ein Pilotprojekt gestartet, bei dem über Mobilfunk Impfungen und der Ausbruch von Tierseuchen in einem frühen Stadium kontrolliert werden sollen.

Auch die Überwachung von Zoonosen sei in afrikanischen Ländern unzureichend, erklärt Tierarzt Duehnen. So erkrankten in Kenia noch immer Menschen an Brucellose und Tuberkulose – Krankheiten, die in Deutschland so gut wie nicht mehr vorkommen. Neben der nomadischen Viehhaltung hat auch in Kenia die industrielle Nutztierhaltung inzwischen Einzug gehalten – und das macht die Überwachung der Tiergesundheit noch wichtiger. „KenChick“ etwa ist der größte Geflügelproduzent in Ostafrika und beliefert vor allem die Nachbarstaaten. Die kenianische Fleischkommission (Kenya Meat Commision) exportiert Rinder, Schafe und Ziegen nach Ost- und Zentralafrika sowie auf die arabische Halbinsel.

Auf ihrer Internetseite verspricht sie die Einhaltung hoher Hygiene- und Qualitätsstandards bei der Schlachtung und Verarbeitung der Tiere – doch immer wieder werden Fälle bekannt, in denen die Vorschriften umgangen werden.  Die Europäer haben den Import von kenianischem Fleisch deshalb bereits vor einigen Jahren gestoppt – ein Exportverlust von 400.000 Tonnen Rindfleisch im Jahr für das ostafrikanische Land. Derzeit versuche man, wieder Zutritt zum europäischen Markt zu bekommen, kündigte das Landwirtschaftsministerium im Sommer an. Noch in diesem Jahr sollten 61 Millionen Rinder gegen Maul- und Klauenseuche geimpft werden. Ziel sei es, die Zahl der Infektionen deutlich zu reduzieren, um internationalen Standards zu genügen.

Auf internationaler Ebene gewinnt inzwischen das Konzept „One Health“ an Bedeutung. Die Idee, dass die Gesundheit von Tieren, Menschen und Natur untrennbar verbunden sind, vertraten schon Gelehrte früherer Epochen. Der Virologe Rudolf Virchow (1821-1902), der den Begriff Zoonose prägte, betonte, es gebe keine trennenden Linien zwischen Tier- und Humanmedizin – zumindest sollte es keine geben. Der Ausbruch der Vogelgrippe 1997 in Hongkong, bei dem sechs Menschen starben und 1,5 Millionen Vögel getötet werden mussten, sorgte für die Gründung der „One Health“-Initiative. FAO, die Weltorganisation für Tiergesundheit und die Weltgesundheitsorganisation WHO wollen damit Forschungen sowie Präventions- und Behandlungsstrategien aus den unterschiedlichen Disziplinen bündeln – zum Wohl von Mensch, Tier und Umwelt.

Die US-amerikanische Entwicklungsagentur USAID hat sich das Konzept mit ihrem Projekt „Predict“ zu eigen gemacht. In Kooperation mit dem „One Health“-Institut der tierärztlichen Hochschule der Universität Kaliforniens unterstützt sie sieben Länder in Afrika, neun in Asien und fünf in Lateinamerika dabei, Risiken für Tierseuchen sowie Krankheitserreger schneller zu entdecken und Kapazität für Laboranalysen sowie Kontrollsysteme aufzubauen.

Auf dem Dottenfelder Hof in Bad Vilbel funktioniert „One Health“ im Kleinen. 90 Prozent des Tierfutters muss nach den Demeter-Richtlinien im Betrieb angebaut werden. Die Schweine werden mit altem Brot, Kartoffeln und Gemüse gefüttert. Das Klee- und Luzernegras für die 80 Kühe hält zugleich den Boden fruchtbar und die Tiere gesund. Erst wenn sie keine Milch mehr geben, werden sie geschlachtet und liefern als Steak oder Gulasch Eiweiß und Mineralstoffe für den Konsumenten. Das hat allerdings seinen Preis: Für 300 Gramm Rinderfilet können schon einmal 20 Euro fällig werden. Im Supermarkt kostet dieselbe Menge nur ein Drittel.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2013: Unser täglich Fleisch
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