Am 3. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, war wieder viel von Inklusion die Rede. Menschen mit Behinderungen sollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Hierzulande unternimmt man Anstrengungen, um Kinder mit Behinderungen in Regelschulen zu unterrichten. Auch der Druck auf Arbeitgeber steigt, die Inklusion in der Arbeitswelt voranzutreiben. Doch es bleibt noch viel zu tun, um die Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. In Deutschland und weltweit.
Etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt haben eine Behinderung. Viele von ihnen sind arm. Jeder fünfte Mensch, der in extremer Armut lebt, ist behindert. Zusätzlich zu den üblichen Ursachen von Armut wie sozialer Ungleichheit, Mangel an fruchtbarem Land, Klimawandel oder dem fehlenden Zugang zu Bildung und Gesundheitsvorsorge türmen sich vor Behinderten Barrieren auf. Barrieren, die sie häufig nicht aus eigener Kraft überwinden können. Eine eventuell lebensrettende Impfung bleibt dem Mann im Rollstuhl verwehrt, weil das Krankenhaus zu weit entfernt ist. Die gehörlose Frau kann an einer Berufsausbildung nicht teilnehmen, weil sie den Lehrer nicht versteht. Und das blinde Mädchen darf nicht in die neu gebaute Schule gehen, weil seine Eltern es aus Scham zu Hause verstecken. Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit? Der Weg dahin ist noch weit.
Auf die Analyse folgten keine Taten
Wie weit, zeigte sich wieder im vergangenen September. Die Staats- und Regierungschefs trafen sich zur 68. Generalversammlung der Vereinten Nationen, um unter anderem neue Ziele zur weltweiten Bekämpfung der Armut auf den Weg zu bringen. Ziele, die ab 2015 die Millenniumsentwicklungsziele ablösen sollen. Noch einige Tage vor der Debatte der Generalversammlung hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gefordert: „Wir müssen Barrieren durchbrechen und Türen öffnen. Viel zu viele Menschen mit Behinderungen leben in Armut.“ Dieser Analyse folgten aber am Ende keine Taten. Wie in den Millenniumsentwicklungszielen kommen behinderte Menschen auch bei dem nun verabschiedeten Fahrplan für globale Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele bis jetzt nicht ausdrücklich vor. Noch sind die Türen geschlossen.
Autor
Dr. Rainer Brockhaus
ist Direktor der Christoffel-Blindenmission Deutschland.Sie nach und nach aufzustoßen, kann gelingen, wenn bei der Konkretisierung dieses neuen Fahrplans Menschen mit Behinderungen selbstverständlich einbezogen werden. Wir erwarten viel von der Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft: Sie soll Ursachen von Armut bekämpfen, menschenwürdige Arbeit schaffen, Kindern einen qualitativ guten Unterricht ermöglichen, gute Gesundheitsvorsorge garantieren. Sie soll Ausgrenzung und Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen bekämpfen. Sie soll den Menschen nicht nur das Überleben, sondern ein Leben in Würde ermöglichen.
Ein Leben wie es sich Jemimah Kutata aus Kenia erkämpft hat. Die körperbehinderte Massai-Frau hat sich schon immer für ihre Rechte, eine bessere Ausbildung und ihre Anerkennung eingesetzt. Inzwischen unterstützt sie selbst andere Menschen mit Behinderungen als Mitarbeiterin in der Geschäftsführung einer kenianischen Selbsthilfeorganisation, die ein Partner der Christoffel-Blindenmission ist.
Die neuen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele haben das Potenzial, das Leben von Millionen von Behinderten zu verbessern. Doch das gelingt nur dann, wenn Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit ernst genommen wird. Lassen Sie uns Barrieren durchbrechen und Türen aufstoßen.
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