Die Denkrichtung ändern

Von Gesine Wolfinger

Wer sich eine Meinung über den Verzehr oder den Anbau gentechnisch veränderter Nahrungspflanzen bilden will, braucht verlässliche und sachliche Informationen. Das gilt für Verbraucher ebenso wie für Landwirte, im Norden wie im Süden. Doch es ist schwierig: Befürworter und Gegner der Grünen Gentechnik stehen sich unversöhnlich gegenüber, seit Mitte der 1980er Jahre die Züchtung von transgenen Pflanzen begann. Während die einen in der Biotechnologie die Lösung aller Ernährungsprobleme und einen Segen für die nachhaltige Landwirtschaft sehen, fürchten die anderen Nachteile für Kleinbauern und den Umgang mit traditionellem Saatgut sowie einen Rückgang der Artenvielfalt.

Dennoch führt kein Weg daran vorbei, sich mit neuen landwirtschaftlichen Produktionsweisen auseinanderzusetzen und dabei die Biotechnologie als eine von vielen Möglichkeiten nicht von vorneherein außen vor zu lassen. Eine wachsende Weltbevölkerung muss mit Nahrung versorgt werden und der Klimawandel, der in vielen Regionen zu unregelmäßigeren Niederschlägen und zu mehr Dürren oder auch Überschwemmungen führt, macht neue Anbaumethoden erforderlich. Nicht zuletzt bleibt die schlichte Tatsache, dass sich der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen immer weiter ausbreitet. Im vergangenen Jahr ist die Anbaufläche laut dem internationalen Gentechnik-Verband ISAAA im Vergleich zu 2007 um 9,4 Prozent auf weltweit 125 Millionen Hektar gewachsen. Bis 2015 wird mit einer Verdoppelung gerechnet.

Eine nüchterne Einschätzung des Potenzials, das gentechnisch veränderte Pflanzen für die Bauern in Entwicklungsländern haben, tut also not. In diesem Frühjahr sind zwei Berichte mit diesem Anliegen erschienen. Das International Food Policy Research Institute (IFPRI) zieht aus einer Analyse von 137 Studien zwar den Schluss, dass „es relativ wenig Erkenntnisse für generelle Bewertungen gibt". Zugleich sind sich die Autoren aber einig, dass transgene Pflanzen - mit einigen Vorbehalten - für arme Bauern wirtschaftlich von Vorteil sind. Das Institut stellt sich damit recht eindeutig auf die Seite der Gentechnik-Befürworter.

Ganz anders der zweite Bericht. Er stammt vom Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag und die Autoren kommen - nach zwölf Jahren kommerziellen Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen - zu dem ernüchternden Fazit: Die Frage, ob solche Pflanzen künftig nachhaltige, regional angepasste Optionen für unterschiedlich entwickelte Agrarwirtschaften bieten können, lässt sich gegenwärtig nicht fundiert beantworten.

Dass man zu wenig weiß, ist allerdings noch kein Argument gegen die grundsätzliche Eignung der Gentechnik. Damit bietet der Bericht, der Länderstudien zu China, Brasilien, Costa Rica und Chile einschließt, eine Grundlage, auf der sich ergebnisoffen weiter forschen ließe. Allerdings mit umkehrter Fragestellung: Statt im Labor Pflanzen zu züchten, die technische Lösungen für Einzelprobleme wie Insektenbefall oder den Anbau auf trockenen oder versalzten Böden versprechen, sollten zunächst die tatsächlichen Anforderungen an die nachhaltige Landwirtschaft je nach Standort analysiert und dafür passende Strategien entwickelt werden. Dazu kommen biologische Anbaumethoden, aber auch die Grüne Gentechnik in Betracht.

Problematisch bleibt dann aber, dass die Gentechnik-Forschung vor allem in der Hand einiger weniger multinationaler Konzerne konzentriert ist. Universitäten und öffentlich finanzierte Forschungsinstitute müssten hier ein größeres Gegengewicht setzen. In jedem Fall täte die Industrie gut daran, bescheidener aufzutreten. Vollmundige Heilsversprechen machen skeptisch und verhindern eine ehrliche Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken. Doch auch Umwelt- und Entwicklungsorganisationen könnten sich offener zeigen und ideologische Vorbehalte zurückstellen.

Die Grüne Gentechnik darf nicht isoliert als Wunderwaffe betrachtet werden. Sie wird schließlich in ökologischen und sozialen Systemen eingesetzt, die schnell aus dem Gleichgewicht geraten können. Es müssen bessere Mechanismen zur Bewertung und Darstellung ihrer Risiken entwickelt werden, die Konsumenten und Produzenten eine freie Entscheidung erlauben. Dennoch besteht immerhin die Möglichkeit, dass Biotechnologie, wenn sie an örtliche Gegebenheiten angepasst und unter Beteiligung der Betroffenen entwickelt und angewendet wird, einen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten kann - oder auch nicht. Das zu erkunden, sollte einen Versuch wert sein.

Gesine Wolfinger
ist Redakteurin bei welt-sichten.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2009: Kleidung – Wer zieht uns an?
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