Kaum ein anderer Konflikt wird von den Kirchen weltweit mit so großer Sorge verfolgt wie der Bürgerkrieg in Syrien. Das liegt zum einen daran, dass Syrien historisch gesehen zum christlichen Stammland gehört. Die Angst geht um, dass die derzeitigen Auseinandersetzungen die rund zwei Millionen syrischen Christen zur Flucht zwingen und das Ende einer 2000-jährigen Tradition einläuten könnten. Zum anderen sind die Kirchen in Syrien ökumenisch gut vernetzt. Viele syrische Kirchenleitende nutzen den direkten Draht zu ihren Kollegen in aller Welt – mit Erfolg.
In ihrer Forderung nach einer politischen Lösung für Syrien sind sich die Kirchen grundsätzlich einig. Bei der Frage aber, wer was für den Frieden in Syrien tun kann und soll, unterscheiden sich die Positionen. So sehen die Teilnehmenden einer Konsultation des Ökumenische Rates der Kirchen (ÖRK) die internationale Gemeinschaft in der Verantwortung. Die Vereinten Nationen (UN) müssten so schnell wie möglich zu einer zweiten Friedenskonferenz für Syrien einladen, forderten die Kirchenleitenden aus Syrien, Russland, den USA, Grobritannien, Frankreich, Deutschland und der Türkei Ende September in Genf. Deren Beschlüsse müssten dann allerdings schnell umgesetzt werden – und nicht, wie bei der ersten Syrienkonferenz 2012, nur auf dem Papier stehen. Die UN müssten außerdem ein Waffenembargo durchsetzen und zu verhindern suchen, dass weitere ausländische Rebellengruppen nach Syrien einsickerten.
Christen und Muslime beten gemeinsam für Syrien
Der Vatikan schlägt einen anderen Weg ein. Papst Franziskus hat erstmals Anfang September zu einem Fasten- und Gebetstag für Syrien aufgerufen. Millionen Christen in aller Welt folgten seinem Appell und auch viele Muslime schlossen sich an, etwa der Großmufti von Damaskus. Er lud zeitgleich zu einem interreligiösen Friedensgebet in die Umayyaden-Moschee in Damaskus ein.
Die internationale Basisbewegung Church and Peace bittet darum, Flüchtlinge aus Syrien und Syrer, die schon länger in der eigenen Gemeinde leben, zu unterstützen. „Wir können einfühlsam zuhören und nachbarschaftlich an ihrer Seite stehen“, schreibt Church and Peace in ihrem aktuellen Rundbrief. Außerdem könne jeder einzelne sich an Regierende, Abgeordnete und Kirchenleitungen wenden und sie darin bestärken, gegen militärische Interventionen und für zivile Alternativen einzutreten.
Mit der eigenen Regierung geht die Presbyterianische Kirche in den USA (PCUSA) ins Gericht. Zu oft schon hätten die USA mit ihren militärischen Alleingängen Gewalt, Terrorismus und Instabilität befördert. Nach zwölf Jahren der Einmischung im Nahen Osten müssten die Amerikaner die eigene Rolle überdenken, heißt es in einem Statement von Anfang September. Von den Partnerkirchen im Nahen Osten werde die PCUSA immer wieder gefragt, warum die amerikanische Regierung den Konflikt in Syrien anheizen wolle.
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Derart kritisch gegenüber der eigenen Regierung zeigt sich in Deutschland keine Kirche. Gerne bemängelt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die schwache Rolle Europas in der Syrienfrage und fordert einen allgemeinen Stopp von Waffenlieferungen. Wer das aber konkret durchsetzen soll, wird nicht gesagt. Dagegen findet der armenisch-orthodoxe Bischof von Damaskus, Armash Nalbandian, deutliche Worte. Die Lieferung waffentauglicher Chemikalien aus Deutschland sei schmerzlich und unverständlich, „gerade weil sich die Bundesrepublik überall auf der Welt für freiheitliche Werte und Menschenrechte einsetzt“.Mit einem Vier-Punkte-Plan für Syrien wartete kürzlich William Shomali, der katholische Weihbischof von Jerusalem auf. Neben den USA und dem Iran müsse sich insbesondere Russland für ein Ende der Gewalt einsetzen. Außerdem müsse „jeder Machtstaat die eigene Seite dazu bringen, keine Waffen mehr in Syrien einzuführen“. Bei Friedensgesprächen dürfe niemand ausgeschlossen werden, sagte Shomali Anfang Oktober bei der Vollversammlung des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen in Bratislava. Ziel dieser Gespräche müssten freie und demokratische Wahlen in Syrien sein. Ferner müsse es um das Schicksal der Flüchtlinge gehen. Nach UN-Angaben waren im August 2013 knapp sieben Millionen der insgesamt 21 Millionen Syrer auf der Flucht vor den Kämpfen. „Alle Flüchtlinge müssen sofort wieder in ihre Häuser zurückkehren dürfen. Der Versöhnungsprozess macht nur dann Sinn, wenn die Syrer zu Hause sind.“
Ungewohnte Appelle an westliche Kirchen und Regierungen waren unlängst aus Jordanien zu hören. „Helft uns Christen hier im Orient – aber schickt uns bitte keine Visa“, sagte der katholische Patriarchalvikar für Jordanien, Bischof Maroun Lahham. „Wir Christen müssen dort leben und unseren Glauben bezeugen, wo Gott uns hingestellt hat.“ Und das sei nur möglich, wenn sie in die arabische Gesellschaft integriert seien.
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