Raus aus der Nische

Fachleute kritisieren: Die Bundesregierung nimmt auf internationaler Ebene zu wenig Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung. Damit sich das ändert, müsse das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) grundlegend umgestaltet werden.

Die Weichen für die Bundesregierung stehen auf schwarz-rot. Es kann schon ein Indiz für die künftige Ministerriege sein, wer in den Koalitionsgesprächen die Arbeitsgruppen leitet. Aber ein Schlüsselressort ist das BMZ nicht und zudem traditionell ein Spielball von Partei- und Länderproporz. An diesem Status rütteln nun Hilfswerke und das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Das schwache BMZ müsse aufgewertet werden, fordern die Welthungerhilfe und terre des hommes in ihrem diesjährigen Bericht über die Wirklichkeit der Entwicklungspolitik. Das DIE plädiert für ein Ministerium für globale Entwicklung.

„Im internationalen Konzert fehlt die Bundesregierung an allen Ecken und Enden“, kritisiert der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann. Die Entwicklungspolitik müsse sich neu erfinden, um einem weiteren Bedeutungsverlust zu entgehen, heißt es in dem Bericht. Alle Politikfelder müssten sich an den „Prinzipien nachhaltiger Entwicklung und den menschenrechtlichen Verpflichtungen“ ausrichten. Entscheidungen über den Welthandel, die Versorgung mit Rohstoffen, die Regulierung von Schattenfinanzzentren sowie über die Landwirtschaft und den Klimaschutz müssten übergeordneten Zielen verpflichtet sein.

Globale Entwicklungsfragen haben im Kabinett eine zu geringe Bedeutung

Bislang hat das BMZ nicht das Mandat, ressortübergreifend für Kohärenz zu sorgen. „Wir erleben immer wieder, dass gute Ansätze konterkariert werden“, kritisiert Jamann. Andere Ministerien sind stärker. Künftig sollte es daher zum zentralen Menschenrechts- und Nachhaltigkeits-TÜV der Regierung werden. Um bei Zielkonflikten den Ausschlag geben zu können, müsste für den Notfall ein Vetorecht her – etwa in der Agrar-, Außenwirtschafts- und Rüstungspolitik. Spiegelbildlich sollte im Parlament der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Fäden stärker zusammenhalten.

Dass eine solche Reform nicht mit einer Hauruckaktion zu schaffen ist, wissen auch die Hilfswerke. Lieber ein bis zwei Jahre Zeit investieren, lautet ihr Rat. „Die Mittelfristigkeit wäre schon Teil des Erfolgs“, meint Jamann, „nur so bekommen wir Bewegung in eingefahrene Strukturen.“ Mit Beginn der Legislaturperiode sollte eine Enquetekommission Vorschläge erarbeiten. Hier könnte sich auch das DIE einbringen, das die „Einbahnstraßenlogik“ der bisherigen Entwicklungspolitik für überlebt hält.

Entweder müsse das Politikfeld auf die nun 25 bis 35 ärmsten Länder der Welt konzentriert oder ein neues Ministerium geschaffen werden, das über die Armutsbekämpfung hinaus globale Pakete schnürt, empfiehlt das Institut. Dabei gehe es etwa um den klimaverträglichen Umbau internationaler Energiesysteme oder die Stabilisierung weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen. In diesen Fragen müsse ein starker Akteur mit Industrie- und Schwellenländern über „gemeinsame Interessen“ verhandeln. Globale Entwicklungsfragen hätten im Kabinett eine zu geringe Bedeutung, weil die Zuständigkeiten auf mehrere Ressorts verteilt sind. Es gehe also um eine Neugründung – und nicht um ein vergrößertes BMZ.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2013: Kriminalität
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