Auf zunächst 10.000 Hektar Land wird Addax Bioenergy in Sierra Leone ab 2013 Agrotreibstoffe für den europäischen Markt produzieren. In einem der ärmsten Länder der Welt investieren – das klingt gut. Die Regierung und die lokalen Behörden seien einverstanden, ebenso die betroffenen Dorfbewohner, die ihr Land für 50 Jahre verpachten. Das hat Nikolai Germann, der Geschäftsführer von Addax, auf einer Tagung von Brot für alle und Fastenopfer erklärt. Es sei garantiert, dass der Anbau von Zuckerrohr nicht zu Lasten des Reisanbaus gehe. 2000 Arbeitsplätze würden geschaffen und den Bauern landwirtschaftliche Bildungskurse angeboten. Also ein Geschäft mit Nutzen für alle Beteiligten? Fragen bleiben. Beeinträchtigen Zuckerrohrplantagen in einer Hungerregion wirklich nicht die Ernährungssicherheit? Kann es gut gehen, wenn Kleinbauern, die über wenig bis gar keine Schulbildung verfügen, mit einem Weltkonzern verhandeln? Ort des Schiedsgerichts ist London, lesen wir im Vertrag. Haben die Bäuerinnen und Bauern, die über Monate von Firmenvertretern besucht und mit zahlreichen Versprechen bearbeitet wurden, ein zutreffendes Bild des Landgeschäfts erhalten? Vor allem aber: Trägt das Projekt im Umfang von 250 Millionen Euro, das zu mehr als der Hälfte von Entwicklungsbanken finanziert wird und bis 2023 gewinnsteuerbefreit ist, tatsächlich zur Entwicklung des Landes und der Region bei?
Die Zweifel wurden nicht geringer, nachdem wir zusammen mit „Brot für die Welt“ und dem Evangelischen Entwicklungsdienst eine Studie zum Addax-Projekt veranlasst hatten. Der Bericht der beauftragten Forscher aus Ghana zeigt, dass die Umweltbilanz des Ethanols schlechter als die von herkömmlichem Benzin ist. Er weist zudem auf die Risiken hin, die mit dem Verbrauch großer Wassermengen für die Bewässerung der Plantagen in der Trockenzeit verbunden sind. Und er zeigt, dass nur ein Teil der Landpachtzinsen die betroffenen Bauern erreicht. Den anderen Teil erhalten lokale Würdenträger. In einem Land, in dem Korruption grassiert, wirft das Fragen auf: Haben diese in ihrem eigenen Interesse oder dem der Bauern gehandelt?
Nur wenige Bauern profitieren
„Wovon werden wir leben?“, fragten mich die Menschen in den Dörfern, die ich besucht habe.„Das Land haben wir hergegeben, doch feste Arbeit haben wir nicht gefunden“, sagten sie mir überall. Vor allem Frauen sind verzweifelt: Sie haben keine Felder mehr und werden im Zuckerrohranbau auch in Zukunft nicht gebraucht. Nur einige wenige profitieren. Das führt zu Spannungen – was gefährlich ist in einem Land, in dem vor noch nicht langer Zeit Bürgerkrieg herrschte.
Von den Versprechen, die nach übereinstimmenden Aussagen in den Dörfern gemacht wurden, distanziert sich die Firma heute. Ging es ihr nur darum, an das Land zu kommen? Oder sind es Anfangsschwierigkeiten des Projekts? Hat Addax unterschätzt, was es bedeutet, in einem in jeder Hinsicht fragilen Umfeld zu investieren? Noch ist es zu früh, das endgültig zu beurteilen. Die Informationspolitik der Firma stimmt mich allerdings nicht optimistisch. Addax zeigt sich nicht gesprächsbereit. Und als das Schweizer Fernsehen einen Bericht über das Ethanolprojekt brachte, reagierte die Firma mit einer Programmbeschwerde, die allerdings abgewiesen wurde. Die gleichen Bäuerinnen und Bauern, die sich im TV-Interview sehr kritisch gegenüber dem Projekt geäußert hatten, wurden kurze Zeit später in Videoclips auf der Firmenwebseite gezeigt. Nun priesen sie – in Anwesenheit des Managers – Addax für seine vorbildliche Arbeit.
Klar ist: Bei Land-Deals sind genaues Hinsehen und ein Einbezug der Zivilgesellschaft erforderlich. Denn die Jagd auf landwirtschaftliche Böden in Afrika geht unvermindert weiter. Ausländische Firmen, Investoren und Staaten eignen sich fruchtbares Ackerland an – als Kapitalanlage, um sich den Zugang zu Rohstoffen zu sichern oder um Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung zu pflanzen. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die für die Ernährung Afrikas eine Schlüsselrolle spielt, gerät unter Druck der Agrarindustrie. Das ist eine „Entwicklung“,die viele Bäuerinnen und Bauern in Land- und Arbeitslose verwandelt, mit geringer Aussicht auf eine künftige Existenzsicherung. Es ist höchste Zeit gegenzusteuern. Der Welttag des bäuerlichen Widerstands am 17. April bietet dafür Gelegenheit.
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