Im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum 100. Jahrestag des Völkermords und Kolonialkriegs in Namibia 2004 hatte sich die Rheinische Landeskirche verpflichtet, ihre Rolle darin aufarbeiten zu lassen. Rheinische Missionare und Siedler gehörten zu den ersten Weißen im südlichen Afrika. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nahm diese Initiative auf und initiierte einen groß angelegten Studienprozess. Von 2007 an forschten 24 Theologen, Kirchengeschichtler und Allgemeinhistoriker aus Südafrika, Namibia und Deutschland über die „Deutsche evangelische Kirche im kolonialen südlichen Afrika“. 13 Kirchen und Missionswerke in Deutschland und im südlichen Afrika beteiligten sich daran.
Interessant sind nicht allein die Forschungsergebnisse zum Selbstverständnis der deutschsprachigen Siedlergemeinden oder der Auslandsarbeit deutscher Kirchen und Missionswerke. Die Studien an sich haben die Sprachlosigkeit beendet, die in den Kirchen und Werken angesichts der eigenen Verstrickung in die kolonialen Machtverhältnisse im südlichen Afrika bislang herrschte. Im Vorwort des jetzt vorgelegten Forschungsbandes für die Zeit bis 1920 schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider, die historische Aufarbeitung solle allen Beteiligten helfen, „die Schuld – unsere eigene und die unserer Vorfahren – zu erkennen“. Es sei, so die Beteiligten, ein Bewusstsein entstanden, dass Christinnen und Christen in Namibia, Südafrika und Deutschland durch eine sehr konfliktreiche gemeinsame Geschichte miteinander verbunden seien. Offenbar ist dadurch so viel Vertrauen gewachsen, dass man nun gemeinsam die neuere Geschichte aufarbeiten will und in den kommenden drei Jahren die Rolle der evangelischen Kirche während der Apartheidszeit untersuchen wird.
(kb)
Hanns Lessing u.a. (Hg.): Deutsche evangelische Kirche im kolonialen südlichen Afrika. Die Rolle der Auslandsarbeit von den Anfängen bis in die 1920er Jahre. Studien zur Außereuropäischen Christentumsgeschichte, Bd. 18, Harrassowitz-Verlag, Wiesbaden 2011, 720 Seiten, 86 Euro
Der Evangelische Pressedienst hat die Tagung dokumentiert, auf der der Forschungsband vorgestellt wurde. Die Dokumentation (Nr. 10/11) kann unter kundenservice@gep.de für 6,90 Euro bestellt werden.
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